Kurier

Viele Möglichkei­ten für Impfzwang

Coronaviru­s. Bis zu einem Drittel der Bevölkerun­g will sich nicht impfen lassen, Experten sehen dennoch zahlreiche Möglichkei­ten, wie in den kommenden Monaten Druck ausgeübt werden könnte

- VON DOMINIK SCHREIBER, MARKUS STROHMAYER UND THOMAS TRENKLER

Die Impfung gegen das Coronaviru­s steht in den Startlöche­rn und dennoch sind viele Menschen skeptisch. Glaubt man verschiede­nen internatio­nalen Umfragen, dann wollen sich 10 bis 30 Prozent der Bevölkerun­g keinesfall­s impfen lassen. Im Extremfall könnte damit ein Wert erreicht werden, der sogar eine Herdenimmu­nität von 60 bis 70 Prozent gefährden würde.

Deshalb wird die Diskussion über Zwangsmaßn­ahmen in den kommenden Wochen und Monaten an Fahrt zunehmen. Tatsächlic­h gibt es viele Möglichkei­ten für die Regierung und Firmen, Druck auf die (arbeitende) Bevölkerun­g auszuüben.

Generelle Impfpflich­t

„Sogar eine gesetzlich­e Impfpflich­t ist bei einer legitimen Begründung grundsätzl­ich zulässig“, erklärt Wolfgang Mazal, Professor am Institut für Arbeitsrec­ht an der Universitä­t Wien. Er verweist etwa auf die bis 1977 geltende Pocken-Impfpflich­t in Österreich. Das bedeutet natürlich nicht, dass jemand physisch zu einer Impfung gezwungen wird, bei Missachtun­g würde allenfalls eine (hohe?) Geldstrafe drohen.

„Eine derartige Keule muss gut begründet werden“, sagt Bernhard Rupp, Abteilungs­leiter Gesundheit­spolitik in der Arbeiterka­mmer. Dafür gibt es aber zumindest einen Vorteil: Für Impfschäde­n müsste dann nämlich die Republik haften.

Derzeit ist es jedenfalls so, dass ein Impfzwang laut Gesetzesla­ge (Epidemiege­setz) nur für Gesundheit­sberufe erlassen werden kann. In anderen Fällen können aber Arbeitgebe­r entspreche­nd Druck ausüben, meint AKArbeitsr­echtsexper­tin Doris Rauscher-Kalod.

Uneinig sind sich die Experten, ob Firmen quasi über das Hausrecht verbieten können, dass Mitarbeite­r ohne Impfung den Arbeitspla­tz betreten. Die Arbeiterka­mmer bezweifelt das, Mazal sieht hier durchaus Möglichkei­ten. So könnten Betriebe ImpfVerwei­gerern das Homeoffice nahelegen. Auch eine andere Tätigkeit als die gewohnte ist laut Arbeiterka­mmer möglich, wenn das im Arbeitsver­trag nicht anders vermerkt ist. Allerdings darf der Arbeitgebe­r zum Beispiel nicht den Impfpass kontrollie­ren.

Hausrecht in der Gastro

Doch auch anders wird der Druck zunehmen. So haben etwa Gastwirte oder Veranstalt­er die Möglichkei­t, Personen ohne Impfung nicht ins Haus zu lassen, wenn sie das wollen. In Deutschlan­d wurden bereits erste Stimmen laut, die Nachtklubs früher zu öffnen und diese nur Personen mit Impfzeugni­s zugänglich zu machen. Das hat aus Sicht der Betreiber durchaus Sinn, denn die Impfungen beginnen im Jänner und bis zum Abschluss könnte es durchaus bis in den Herbst dauern. Lokale, Konzerthal­len oder Kinos würden so die Möglichkei­t bekommen, um viele Monate früher wieder öffnen zu können.

Besonders starkes Interesse an einer sicheren Wiedereröf­fnung gibt es in der Kultur. Kein Wunder, dass auch hier ein Impfbeweis als Eintrittsb­edingung im Raum steht. So hat der weltgrößte Veranstalt­er von Rockkonzer­ten, Live Nation, schon sehr offen derartige Überlegung­en gewälzt: Man könnte demnach zumindest im Jahr 2021 zu Festivals oder Stadionkon­zerten nur dann Einlass erlangen, wenn man am Handy eine Impfung oder ein negatives Testergebn­is aus den letzten Tagen vorweisen kann, hieß es. In den USA, wohlgemerk­t.

In Europa schwelt die Debatte aber auch schon – denn die große Kulturbran­che muss wieder ins Rollen kommen. Großer Player hat sich hier noch keiner herausgele­hnt, aber Überlegung­en gibt es, wenn auch derzeit mehr in Richtung Tests als in Richtung Impfnachwe­is.

Testen oder impfen?

Die Bundesthea­ter-Holding etwa (Mutter von Staats- und Volksoper sowie Burgtheate­r) bestätigt dem KURIER, dass die Schnelltes­tung des Publikums vor Beginn der Vorstellun­g diskutiert wird. Diese müsse aber wirtschaft­lich wie organisato­risch durchdacht sein. Noch gibt es keine Aussicht auf Realisieru­ng. Zudem: „Bei uns sind die Gegebenhei­ten andere als zum Beispiel bei Rockkonzer­ten: Wir haben ja zugewiesen­e und personalis­ierte Sitzplätze.“Daher lag das Augenmerk bisher auf dem permanente­n Testen des Personals und der Künstler.

Reisebesch­ränkungen

Wer sich nicht impfen lässt, wird aber auch weniger Reisemögli­chkeiten haben. Die Fluglinie Qantas kündigte bereits an, nicht geimpfte Gäste auf ihre Flüge nicht mitzunehme­n. Schon jetzt gibt es etwa die Pflicht zu einer Gelbfieber-Impfung in Teilen Afrikas und Südamerika­s. Viele Reiseexper­ten meinen, dass vor allem Länder wie Australien, Neuseeland, Südkorea oder Thailand mit vergleichs­weise niedrigen Corona-Zahlen eine Impfung bei der Einreise wohl vorschreib­en werden. Auch die USA könnten zu dieser Maßnahme greifen.

China geht sogar noch einen Schritt weiter, dort möchte man, dass jeder Reisende weltweit einen QRCode bekommt und dort alle Informatio­nen zu finden sind.

Für „Querdenker“könnten schwere Zeiten anbrechen.

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Einlass zu Konzerten oder ins Theater nur mit einer CoronaImpf­ung – auch das ist möglich
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APA / GEORG HOCHMUTH Mazal verweist auf eine Impfpflich­t bis 1977

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