„Das wird kein drittes Mal Obama“
Neue US-Politik. Der gewählte US-Präsident setzt auf internationale Zusammenarbeit und die Führungsrolle der USA
Allmählich dämmert es auch Präsident Trump, dass er gehen muss. Schritt für Schritt macht er den Weg für seinen Nachfolger frei: Die ersten direkten Gespräche unter den alten und neuen Spitzenbeamten, die ersten ÜbergabeRituale in den Ministerien und in den Stabsstellen des Weißen Hauses und natürlich das erste der legendären morgendlichen GeheimdienstBriefings für den Neuen. Es soll schon in den nächsten Tagen stattfinden.
Joe Biden hat sich dem ersten ausführlichen Interview seit seinem Wahlsieg gestellt. Auf NBC erklärte er: „Das wird keine dritte Obama-Amtszeit. Wir müssen uns mit einer völlig anderen Welt auseinandersetzen, als während der Obama-Biden-Regierung.“Biden war acht Jahre lang Obamas Vizepräsident. Die Mitschuld an der „anderen Welt“gibt Biden dem noch amtierenden Präsidenten, dieser habe wichtige internationale Verbindungen gekappt und Amerika eher geschwächt statt gestärkt.
Routinierte Verhandler
Biden hat ja selbst sein politisches Leben in Washingtons Machtzentrum verbracht und verlässt sich daher auch bei vielen Postenbesetzungen auf routinierte Insider.
Am bemerkenswertesten ist da Ex-Außenminister John Kerry, der sich in Zukunft um das Klima kümmern wird. Der 76-Jährige, der selbst 2004 eine Präsidentschaftswahl verlor, ist einer der erfahrensten Verhandler in den Reihen der Demokraten. Anthony Blinken, der das Außenministerium übernimmt, hat Biden schon als Vizepräsident und als Senator in außenpolitischen Fragen
beraten und ist ein ausgewiesener Europafreund. Jake Sullivan, der Nationaler Sicherheitsberater wird, hat für die Obama-Administration das gescheiterte Handelsabkommen TTIP verhandelt.
„Bereit zu führen“
Die zukünftige Finanzministerin Janet Yellen hat als Chefin und zuvor Vizechefin der US-Notenbank FED diese in den Krisenjahren auf Kurs gehalten und tritt für großzügige Budgetpolitik in der Krise ein. „Die Diplomatie ist zurück“ergänzt Linda ThomasGreenfield, Bidens Besetzung für den wichtigen Posten der UN-Botschafterin. Gerade im Umgang mit der UNO gibt es ja nach den Trump-Jahren einige Scherben zu kitten. Mit
Trumps Isolationismus und seinen Alleingängen soll auf jeden Fall Schluss sein. Mit dieser Ära rechnet Biden im Interview ab: Amerika sei nach Trump „zerrissen“und „allein“. Von jetzt an aber „ist Amerika wieder bereit, die Welt zu führen, anstatt sich aus ihr zurückzuziehen.“
Wann und wie die USA aber tatsächlich wieder ihre internationale Führungsrolle einnehmen können, bleibt abzuwarten. Erfahrene internationale Beobachter äußern gegenüber dem KURIER Skepsis. Die angeschlagene Weltmacht werde wohl in den kommenden Monaten vor allem mit sich selbst beschäftigt sein. Immerhin gebe es die Pandemie zu besiegen und deren verheerende wirtschaftliche Folgen zu bewältigen. Biden gibt sich beim Interview selbstsicher. Sein Team stehe bereit, um die Probleme sofort und umfassend anzugehen: „Wir bereiten uns gerade auf die Herausforderungen vor.“
Bidens zukünftiger Außenminister Blinken spricht vom „Selbstvertrauen“, aber auch der „Demut“, mit der man in Zukunft den Verbündeten und Freunden wieder begegnen werde. Auch der Spruch, der diese Linie in einen Satz packen soll, ist bereits startklar: „Amerika ist zurück“.
Begrüßt wird sein Präsident von Chinas Präsidenten Xi Jinping: Nach langem Zögern gratulierte er Biden per Telegramm zum Wahlsieg.