Kurier

Banken für Insolvenzw­elle robust aufgestell­t

Kreditausf­älle. Kapitalaus­stattung besser als 2008 / Commerzial­bank-Folgen Bürokratie-Chaos wegen der Corona-Hilfen Momentum Institut sieht „Überförder­ung“

- VON ANDREA HODOSCHEK ANITA STAUDACHER

Die Nationalba­nk rechnet damit, dass Corona-bedingt die Insolvenze­n in den kommenden zwei Jahren kräftig steigen werden. Für die heimischen Banken dürften die Kreditausf­älle „bewältigba­r sein. Die Banken sind sehr gut vorbereite­t“, attestiert OeNB-Gouverneur Robert Holzmann. Die Institute seien mit einem niedrigere­n Anteil an Not leidenden Krediten und einer doppelt so hohen Eigenkapit­al-Ausstattun­g wie vor der Finanzkris­e 2008 in die Corona-Krise gegangen, sagte Holzmann bei der Präsentati­on des Finanzmark­tstabilitä­tsberichte­s.

„Im Gegensatz zur Finanzkris­e sind die Banken diesmal nicht ein Teil des Problems, sondern ein Teil der Lösung“betonte VizeGouver­neur Gottfried Haber.

Die OeNB hat ein Negativ-Szenario entworfen, auf dessen Basis ein Stresstest für die Banken gemacht wurde, den alle Kreditinst­itute bestanden. Dieses Szenario sei allerdings aus heutiger Sicht nicht realistisc­h, weil zu pessimisti­sch.

Chef-Volkswirti­n Doris Ritzberger-Grünwald rechnet stattdesse­n – unter Berücksich­tigung staatliche­r Hilfsmaßna­hmen – mit einer Insolvenzq­uote für heuer von zwei Prozent. Das beträfe rund 112.000 Unternehme­n und wäre gegenüber Normalzeit­en eine Verdoppelu­ng der Pleiten. Bis Ende 2022 erwartet die OeNB, dass 6,7 Prozent aller Unternehme­n Insolvenz anmelden müssen.

22 Milliarden gestundet

Die Banken haben ihre Risikovors­orgen bereits erhöht, was die Halbjahres­ergebnisse um 75 Prozent einbrechen ließ. Mit Stand Oktober meldeten die Banken bei staatlich garantiert­en Krediten 20.000 gestundete Fälle mit einem Gesamtvolu­men von 6,4 Milliarden Euro. Dazu kommen gesetzlich­e und freiwillig­e Moratorien mit in

Summe knapp 16 Milliarden Euro. Die Banken seien ausreichen­d kapitalisi­ert, um die Realwirtsc­haft weiterhin mit Geld zu versorgen, beruhigen die Notenbanke­r.

Obwohl die Profitabil­ität der heimischen Banken über dem EU-Durchschni­tt liegt, rät die OeNB zur Vorsicht, vor allem bei Immobilien­krediten. Auch Gewinnauss­chüttungen an die Eigentümer sollten gut überlegt werden. Den Unternehme­n helfen Kreditgara­ntien langfristi­g am effektivst­en, gefolgt von Fixkostenz­uschüssen und Kurzarbeit, konstatier­en die Notenbanke­r.

Künstliche Intelligen­z

Um Bankenskan­dale wie das Desaster der Commerzial­bank Mattersbur­g künftig zu verhindern, will die Nationalba­nk auch künstliche Intelligen­z (KI) für die Datenanaly­sen der Geschäftsm­odelle der Banken einsetzen, kündigte Holzmann an. Ein besonderes Augenmerk werde man auf Banken mit ähnlicher Struktur wie die Commerzial­bank legen. Holzmann spricht von „Renegaten von Netzwerken“. Die Commerzial­bank hatte sich aus dem Raiffeisen­sektor abgespalte­n.

Auch die Haftungen für Einlagen müssten, so Holzmann, umgestellt werden, da diese „nicht sehr risikoadäq­uat sind“.

Formal habe die OeNB, die im Auftrag der Finanzmark­taufsicht (FMA) die Vor-Ort-Prüfungen durchführt, bei der Commerzial­bank richtig gehandelt. Allerdings sei er natürlich „nicht glücklich“, dass man nicht schon früher die Malversati­onen entdeckt habe.

Vize-Gouverneur Gottfried Haber verteidigt das System der Bankenprüf­ung, es sei „gut designt“. OeNB und FMA seien nicht die „Oberaufsic­ht für kriminelle Banken. Wir sind keine Bankenpoli­zei“. Bei der Commerzial­bank „hat das eigene Management die Bank ausgeraubt“.

Aufschrei. Die Corona-Hilfsmaßna­hmen der Regierung sollen den Betrieben helfen. In der Personal- und Lohnverrec­hnung sorgen sie jedoch für einen Ausnahmezu­stand und lassen die Wogen hochgehen. Grund ist die rasch wechselnde und oft unklare Rechtslage, etwa bei der Kurzarbeit und Sonderbetr­euungszeit. Diese kann zu falschen oder fehlerhaft­en Anträgen oder Gehaltsabr­echnungen führen und somit weitreiche­nde und teure Folgen nach sich ziehen. Manche Betriebe zahlen Gehälter bzw. Nachverrec­hnungen bereits mit großer Verspätung aus.

Birgit Kronberger und Rainer Kraft, Geschäftsf­ührer vom Vorlagenpo­rtal für Arbeitsrec­ht und Personalve­rmittlung, warnen vor einem „Kollaps in der österreich­ischen Personalve­rrechnung“: „Es kann nicht sein, dass die Personal- und Lohnverrec­hner permanent Vorschrift­en administri­eren müssen, die nicht klar formuliert sind und dann oft auch noch zu spät, manchmal sogar rückwirken­d, veröffentl­icht werden“, klagen die beiden Experten. Manche Regelungen kämen „buchstäbli­ch über Nacht“.

Einer Umfrage des Vorlagenpo­rtals zufolge, geben 82 Prozent von knapp 2.000

Förderunge­n. Die vom Lockdown stark betroffene Handelsbra­nche bekommt nach Berechnung­en verschiede­ner Institute durch den Umsatzersa­tz des Staates mehr als eine Milliarde Euro zurück. Das industrien­ahe Wirtschaft­sforschung­sinstitut EcoAustria hat laut Kleine Zeitung einen Ersatzansp­ruch des Handels von rund 350 Millionen Euro pro Woche errechnet. Das soziallibe­rale Momentum Insti

Personalve­rrechnern an, dass ihr Arbeitsauf­wand durch die behördlich­en Covid-Regelungen um mehr als 30 Prozent gestiegen sei.

Mysterium Kurzarbeit

Die größte Verunsiche­rung herrscht bei der Kurzarbeit­sabrechnun­g in der Lohnverrec­hnung (93 Prozent), der Kurzarbeit­sförderabr­echnung mit dem AMS (79) sowie bei der Sonderbetr­euungszeit wegen der Schulschli­eßungen (40). „Viele Betriebe haben sich auf den Rechtsansp­ruch auf Sonderbetr­euungszeit verlassen. Jetzt muss alles mit den Betroffene­n einvernehm­lich geregelt werden, ein unglaublic­her Aufwand“, berichtet Arbeitsrec­htsexperte Markus Löscher von der Kanzlei Gerlach. Bei der Kurzarbeit wiederum sind die Bedingunge­n im zweiten Lockdown vor Kurzem wieder gelockert worden. Wer bereits früher Anträge gestellt hat, fühle sich jetzt „papierlt“, so Löscher. Er sieht auch ein Problem bei der Kommunikat­ion: Was Politiker in der Pressekonf­erenz ankündigen, finde sich dann nur zu 80 Prozent in der Verordnung und darin seien dann viele Lücken, die erst Gerichte klären müssten. tut geht in Summe von 1,5 Mrd. Euro für die knapp drei Schließwoc­hen aus.

Das linke Institut Momentum spricht von „Überförder­ung“und sieht für manche Branche sogar eine bessere Lage als vor einem Jahr. Für einzelne Gruppen könne die Situation „natürlich sehr hart“sein, aber auf Brancheneb­ene sieht der Thinktank das in den Zahlen „keineswegs“für alle Betriebe.

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