Drogenhandel per Lieferservice
Interview. Wolfgang Preiszler von der EGS erklärt, wie sich das illegale Geschäft verlagert hat
Die Corona-Krise hat den Handel in große Schwierigkeiten gebracht – auch den illegalen. Doch Drogendealer fanden dafür eine Lösung. Wolfgang Preiszler, Oberst bei der Einsatzeinheit gegen Straßenkriminalität in Wien, erklärt im KURIER-Interview, wie sich die Polizei anpassen musste, wer die Dealer sind und wo es gefährlich werden kann.
KURIER: Wie hat sich die Krise auf den Drogenhandel ausgewirkt?
Wolfgang Preiszler: Eigentlich relativ wenig, nur das Täterverhalten hat sich verändert. Die sozialen Dienste der Stadt Wien haben es ermöglicht, dass Suchtkranke so wenig wie möglich außer Haus müssen, um gar nicht erst in die Szene auf der Straße zu kommen. Die Dealer machen es jetzt einfach genauso. Die Drogen werden über Telefon gedealt. Der Hausdealer wird angerufen, fährt mit Maske hin und verkauft die Drogen einfach im Stiegenhaus. Das hat es für uns natürlich auch schwieriger gemacht, aber wir haben uns ebenso darauf eingestellt.
Was ist derzeit das größte Problem auf Wiens Straßen?
Das größte Problem ist immer das, das den Bürger am meisten betrifft. Ich glaube, dass Eigentumsdelikte den Bürger eher beschäftigen als Drogendelikte. Da glauben viele, es kann sie nicht treffen, was ein Irrtum ist, denn das kann jede Familie betreffen.
Gibt es besondere DrogenHotspots in Wien?
Ich würde es eher Problemzonen nennen. Die wechseln und es gibt nur wenige Orte, wo sich das Problem manifestiert und jahrzehntelang existiert. Das war zum Beispiel der Karlsplatz und es konnte jahrzehntelang nicht gelöst werden. Dann haben wir gemeinsam mit der Stadt
Wien beschlossen, das Problem anzugehen. Die Polizei war dort extrem präsent, die Dealer wurden eingesperrt und die Süchtigen in soziale Einrichtungen gebracht, wie zum Beispiel das Suchthilfezentrum Jedmayer in der Gumpendorfer Straße. Das hat auch gut funktioniert. Da bekommt man dann aber leicht ein Déjà-vu. Schon Mitte der 1990er-Jahre hat es dort ein großes Problem gegeben. Damals waren es hauptsächlich nordafrikanische Täter, die Heroin gedealt haben, heute sind es Unbelehrbare, die Substitutionsmedikamente verkaufen.
Wie hat sich die Szene in den letzten Jahren verändert?
Sehr stark. Vor einigen Jahren hatten wir ganz massive Probleme mit afrikanischen Dealern. Die gibt es derzeit nur noch in machen Bereichen. Heute haben wir fast nur noch Tätergruppen aus Ex-Jugoslawien, vor allem aus Serbien. Sie fallen im Straßenbild überhaupt nicht auf, sind schön gekleidet und haben nicht das klassische Täterverhalten. Meistens kommen sie extra zum Dealen nach Wien, bekommen hier dann Listen mit Konsumenten. Das sind nicht immer hochkriminelle Leute, sondern zum Beispiel auch Gymnasiasten. Die checken ein paar Monate hier und leben den Rest des Jahres davon. Das Heroin, das sie verkaufen, ist hochqualitativ, und jeder Einzelne verkauft sehr viel davon.
Ist also Heroin das größte Problem in Wien?
Heroin hat einfach das größte Suchtpotenzial. Wenn Jugendliche in die Abhängigkeit rutschen, reißen sie oft die ganze Familie mit. Die Menschen zu behandeln, ist schwierig. Es gibt zwar viele Therapieplätze, aber die kosten auch viel Geld. In der Sozialarbeit und bei der Polizei müsste eigentlich permanent Personal aufgestockt werden. Aber wir können Planstellen ja nicht klonen.