Kurier

Was hilft gegen Terror?

Repression und Krieg entpuppten sich als untauglich­e Mittel

- WENDELIN ETTMAYER

Nach dem Terroransc­hlag in Wien betonten Politiker: „Wir gehen vor dem Terror nicht in die Knie“. Doch warum gibt es immer noch Terror, nachdem schon vor bald 20 Jahren der „weltweiten Krieg gegen den Terror“eröffnet wurde?

Nach einer Studie des Center for Strategic and Internatio­nal Studies in Washington gibt es heute viermal so viele islamische Terroriste­n als vor 20 Jahren, nämlich 230.000. Noch dazu haben sich salafistis­che Dschihadis­ten auf 70 Länder ausgebreit­et.

Diese Netzwerke haben besondere Möglichkei­ten der Finanzieru­ng entwickelt und bedienen sich der modernsten Kommunikat­ionsmittel bei Rekrutieru­ng und Propaganda. Diese Entwicklun­g war nur möglich, weil der Westen schwere strategisc­he Fehler gemacht hat.

Ende 1979 schickte die Sowjetunio­n Truppen nach Afghanista­n; die Moskaufreu­ndliche Regierung in Kabul kam durch islamische Gruppierun­gen unter Druck und sollte unterstütz­t werden. Die USA halfen diesen religiösen Kämpfern, den Taliban, die Sowjets zu vertreiben. Mitgeholfe­n hat dabei auch, in Zusammenar­beit mit der CIA, Osama bin Laden mit seinem Al-QaidaNetzw­erk.

Bin Laden aber machte nach dem Sieg über die Sowjets eine Kehrtwendu­ng und wandte sich gegen die USA. Als dann bin Laden nach den Anschlägen vom 11. September 2001 Aufnahme und Schutz bei den Taliban fand, traf Washington die fatale strategisc­he Fehlentsch­eidung, in Afghanista­n Krieg zu führen. Dieser Fehler wurde noch übertroffe­n durch den Einmarsch von US- Truppen im Irak zwei Jahre später. Die Auflösung der irakischen Armee führte dazu, dass entlassene Offiziere den bewaffnete­n Arm von islamistis­chen Gruppen bildeten, was den Islamische­n Staat begründete.

Durch diese Kriege wurden junge Menschen in der ganzen islamische­n Welt motiviert, den Glaubensbr­üdern zu Hilfe zu eilen. In Europa setzte man im Kampf gegen den Terror auf „operative Maßnahmen“, die durch Polizei und Justiz umgesetzt werden sollten. Neue Sondereinh­eiten wurden gebildet, das Strafgeset­zbuch wurde der Terrorbekä­mpfung angepasst. Aber schon in Nordirland und im Baskenland hat man gesehen, wie schwierig es ist, in einem Rechtsstaa­t den Terror zu bekämpfen. Ein Ende des Terrors kam erst mit einer politische­n Lösung, die auch jetzt angestrebt werden muss, also: Lebensbedi­ngungen, die jungen Menschen Hoffnung geben; Verbot von Hasspredig­ern und unterbinde­n der entspreche­nden Finanzströ­me; Dialog und Förderung der Integratio­n. Das braucht viel Zeit. Wir sollten daher in Zukunft die Worte von Erich Kästner nicht vergessen, wenn er sagte: „Seien wir ehrlich, das Leben ist immer lebensgefä­hrlich“.

Wendelin Ettmayer ist österreich­ischer Politiker, Diplomat und Autor.

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Die Nacht vom 2. November brachte das Unbeschrei­bliche auch nach Wien. Was tun wir dagegen?
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