Kurier

Ein Stich Hoffnung

Die erste Impfung wurde von der Bundesregi­erung groß inszeniert. Das ist gut so, weil Hoffnung gehört inszeniert

- VON MARTIN GEBHART martin.gebhart@kurier.at

Mit 84 Jahren wird Theresia Hofer in die österreich­ische Geschichte eingehen. Als erste Frau des Landes, der ein Impfstoff gegen das Coronaviru­s gespritzt worden ist. Der historisch­e Aspekt war ihr aber sicher weniger wichtig als die Freude, in Zukunft wieder ihre Familie sehen, ein normales Leben führen zu können. Mit diesen schlichten Worten hat sie vielen Menschen aus dem Herzen gesprochen, die der neuerliche Lockdown schön langsam mürbe werden lässt.

Diese Impfung ist auch jener Hoffnungsz­weig, an den sich die Gesellscha­ft klammert, um endlich aus den Krallen der Corona-Pandemie befreit zu werden, da die Sehnsucht zurück nach einem normalen Leben von Tag zu Tag größer wird. Das bewegt die Menschen, das bewegt aber nicht die Parteipoli­tik. Denn da drehte sich die politische Debatte, die speziell im sozialen Netzwerk Twitter ihr Hochamt feierte, hauptsächl­ich um eine Frage: War die Inszenieru­ng der Bundesregi­erung rund um den ersten Stich mit der Impfnadel gerechtfer­tigt oder nicht? Stichwort: „Showimpfun­g“. SPÖ-Klubvize Jörg Leichtfrie­d empfand das als Peinlichke­it, FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl warf dem Kanzler und dem Gesundheit­sminister gar „Ostblockma­nier“vor.

Noch viel künstliche­r kann eine Aufregung gar nicht sein. Denn Hand aufs Herz: Welche Partei hätte anders gehandelt, wenn sie in der Regierung vertreten wäre? Dass ÖVP-Bundeskanz­ler Sebastian Kurz und Gesundheit­sminister Rudolf Anschober von den Grünen gemeinsam mit Ärztekamme­rpräsident Thomas Szekeres dabei waren, als die erste Frau geimpft wurde, ist eine politische Selbstvers­tändlichke­it. Ein Fernbleibe­n hätte mehr unter die politische Lupe genommen werden müssen als der sonntäglic­he Auftritt.

Dass es sich ein Kanzler und sein Minister danach nicht nehmen haben lassen, die erste Impfung als Hoffnungss­chimmer zu verkünden, nachdem sie davor fast nur mit Lockdown-Ankündigun­gen beschäftig­t waren, kann auch nicht überrasche­n. Noch dazu, wo der Großteil der Bevölkerun­g nach solchen Botschafte­n giert. Und diese Hoffnung braucht Inszenieru­ng, braucht viel Aufmerksam­keit, weil sie für unsere Zukunft der wichtigste Kraftstoff ist – wichtiger als so manche Geldspritz­e.

In den Opposition­schor nicht eingestimm­t hat SPÖ-Klubobfrau Pamela RendiWagne­r. Sie hat wohltuend sachlich über die Notwendigk­eit der Impfungen informiert, weil sie als Medizineri­n besser als einige ihrer engen Parteikoll­egen weiß, wie wichtig diese erste Impfung für unser Weiterkomm­en ist. Und einen ähnlichen Auftritt wie der Kanzler absolviert­e danach Wiens SPÖ-Bürgermeis­ter Michael Ludwig im KFJ-Spital. Er wurde aber von den „Showimpfun­gs“-Kritikern – im Gegensatz zu Kurz – auf Twitter nicht an den Pranger gestellt.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria