Ein Stich Hoffnung
Die erste Impfung wurde von der Bundesregierung groß inszeniert. Das ist gut so, weil Hoffnung gehört inszeniert
Mit 84 Jahren wird Theresia Hofer in die österreichische Geschichte eingehen. Als erste Frau des Landes, der ein Impfstoff gegen das Coronavirus gespritzt worden ist. Der historische Aspekt war ihr aber sicher weniger wichtig als die Freude, in Zukunft wieder ihre Familie sehen, ein normales Leben führen zu können. Mit diesen schlichten Worten hat sie vielen Menschen aus dem Herzen gesprochen, die der neuerliche Lockdown schön langsam mürbe werden lässt.
Diese Impfung ist auch jener Hoffnungszweig, an den sich die Gesellschaft klammert, um endlich aus den Krallen der Corona-Pandemie befreit zu werden, da die Sehnsucht zurück nach einem normalen Leben von Tag zu Tag größer wird. Das bewegt die Menschen, das bewegt aber nicht die Parteipolitik. Denn da drehte sich die politische Debatte, die speziell im sozialen Netzwerk Twitter ihr Hochamt feierte, hauptsächlich um eine Frage: War die Inszenierung der Bundesregierung rund um den ersten Stich mit der Impfnadel gerechtfertigt oder nicht? Stichwort: „Showimpfung“. SPÖ-Klubvize Jörg Leichtfried empfand das als Peinlichkeit, FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl warf dem Kanzler und dem Gesundheitsminister gar „Ostblockmanier“vor.
Noch viel künstlicher kann eine Aufregung gar nicht sein. Denn Hand aufs Herz: Welche Partei hätte anders gehandelt, wenn sie in der Regierung vertreten wäre? Dass ÖVP-Bundeskanzler Sebastian Kurz und Gesundheitsminister Rudolf Anschober von den Grünen gemeinsam mit Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres dabei waren, als die erste Frau geimpft wurde, ist eine politische Selbstverständlichkeit. Ein Fernbleiben hätte mehr unter die politische Lupe genommen werden müssen als der sonntägliche Auftritt.
Dass es sich ein Kanzler und sein Minister danach nicht nehmen haben lassen, die erste Impfung als Hoffnungsschimmer zu verkünden, nachdem sie davor fast nur mit Lockdown-Ankündigungen beschäftigt waren, kann auch nicht überraschen. Noch dazu, wo der Großteil der Bevölkerung nach solchen Botschaften giert. Und diese Hoffnung braucht Inszenierung, braucht viel Aufmerksamkeit, weil sie für unsere Zukunft der wichtigste Kraftstoff ist – wichtiger als so manche Geldspritze.
In den Oppositionschor nicht eingestimmt hat SPÖ-Klubobfrau Pamela RendiWagner. Sie hat wohltuend sachlich über die Notwendigkeit der Impfungen informiert, weil sie als Medizinerin besser als einige ihrer engen Parteikollegen weiß, wie wichtig diese erste Impfung für unser Weiterkommen ist. Und einen ähnlichen Auftritt wie der Kanzler absolvierte danach Wiens SPÖ-Bürgermeister Michael Ludwig im KFJ-Spital. Er wurde aber von den „Showimpfungs“-Kritikern – im Gegensatz zu Kurz – auf Twitter nicht an den Pranger gestellt.