Kurier

Neues Jahr, altes Glück

Entscheidu­ng im ORF. 2021 wird sich zeigen, ob Alexander Wrabetz zum vierten Mal in Folge Generaldir­ektor wird. Wer auch immer im Chefsessel sitzen wird, muss den ORF ins digitale Zeitalter katapultie­ren

- VON PHILIPP WILHELMER

Krise ist immer auch eine Chance: Der ORF hat sich im Jahr 2020 wieder in die Herzen der Regierungs­politik zurückgekä­mpft. Eine weitere unerwartet­e Wende in der Karriere von Langzeit-ORFChef Alexander Wrabetz, der unter türkis-blau schon wieder einmal angezählt war. Am 10. August 2021 wird die

ORF-Führung neu gewählt. Und Wrabetz könnte aus der Polepositi­on starten. „Anfang des Jahres“wird Wrabetz bekannt geben, ob er sich wieder bewirbt, wie er kürzlich dem Trend sagte.

Für viele Beobachter ist die Entscheidu­ng schon längst gefallen: Wrabetz hat in den vergangene­n Monaten alles daran gesetzt, sich mit Postenbese­tzungen bei der türkisen Regierungs­macht beliebt zu machen.

Da waren etwa Channelman­ager auszuschre­iben: Die Chefin von ORF 1, Lisa Totzauer, ist ebenso ÖVP-kompatibel wie der Channelman­ager von ORF 2, Alexander Hofer. Auch weiter unten in der Hierarchie sind die Besetzunge­n zumindest nicht unangenehm für die ÖVP.

Die Grünen dürfen – was auch ihrem medienpoli­tischen Selbstvers­tändnis entspricht – mit keinen Jobs punkten. Sendezeit bekommen jedoch auch sie: Wenn um 20.15 Uhr eine inhaltslee­re Sonder- „ZiB“zu CoronaMaßn­ahmen programmie­rt wird, kommt darin der Kanzler vor. In der „ZiB2“darf dann ein grüner Regierungs­politiker auftreten. Die Opposition? Der empfahl ORF-TVInnenpol­itikchef Hans Bürger in einer „Zeit im Bild“vor Weihnachte­n, „es nicht allzu sehr zu übertreibe­n“.

Nicht unterschät­zen

Dass ausgerechn­et der rote Generaldir­ektor Wrabetz als Kompromiss­kandidat für türkis-grün enden könnte, ist eine gewagte These – von der Hand zu weisen traut sie sich aktuell niemand. „Wer Wrabetz unterschät­zt, soll nachschlag­en in der Geschichte“, erklärt ein langjährig­er Begleiter dem KURIER. Der

ORF-Chef hat sich schon aus übleren Positionen zurückgekä­mpft: Türkis-Blau wollte ihn mit einer umfassende­n Reform vor die Tür setzen und den Rundfunk zurechtstu­tzen – dann kam Ibiza. Die darauffolg­ende türkis-grüne Regierung lernte den ORF von Beginn ihrer Amtszeit an von seiner praktische­n Seite kennen: In der Krise schauen die Österreich­erinnen und Österreich­er öffentlich-rechtliche­n Rundfunk. Die Privaten punkteten mit tollem Programm, hatten aber in der Sehergunst das Nachsehen: Eine „Zeit im Bild“, in der Sebastian Kurz im März den Lockdown verkündete, hatte fast drei Millionen Zuseher. Politische Annäherung geschieht oft auch über schlichte Arithmetik.

Wie aus Koalitions­kreisen zu hören ist, ist die Suche nach der künftigen Nummer eins auf dem Küniglberg noch nicht annähernd abgeschlos­sen. Fest steht nur eines: Im Koalitions­vertrag ist festgeschr­ieben, dass Türkis und Grün einander nicht überstimme­n – dem Vernehmen nach gilt das auch für den ORF-Stiftungsr­at. Wer also künftig an der ORF-Spitze steht, hat nach der Logik auch einen grünen Stempel.

Er oder sie hat jedenfalls eine Mammutaufg­abe vor sich: Die im Dezember verabschie­dete Strategie bis 2025 verordnet dem ORF eine Digitalisi­erungskur. Der neue

ORF-Player ist das sichtbarst­e Element dessen. Die Abspielsta­tion des Öffentlich-Rechtliche­n soll nicht nur technisch alle Stücke spielen, sondern auch inhaltlich neue Wege gehen und den gesamten Bewegtbild­markt mitreißen.

Sobald die Regierungs­parteien wieder Luft haben, wird ein neues ORF-Gesetz fertig verhandelt, das nach Vorstellun­g des Öffentlich Rechtliche­n auch erlaubt, Sendungen zu produziere­n, die ausschließ­lich auf dem Player laufen sollen. Auch die Regelung, wonach Sendungen nach sieben Tagen wieder gelöscht werden müssen, soll durch eine zeitgemäße­re ersetzt werden.

Auch im Radio steht man angesichts des PodcastBoo­ms vor ähnlichen Herausford­erungen: Hier werden vor allem Ö1 und FM4 weiterentw­ickelt werden müssen, heißt es.

Klingt logisch, ist aber radikal. Der ORF ist gewachsen aus seinen Sparten: Fernsehen, Radio, viel später Online – so lauten die Zuständigk­eiten und die Verteilung der Hausmacht. Hier neue Arbeitswei­sen zu etablieren bedarf hoher Kenntnis – und Entscheidu­ngsfreude.

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