Kurier

Die alte und die neue Ära

- VON ANDREAS SCHWARZ andreas.schwarz@kurier.at

Man hat gelernt, mit Ausblicken vorsichtig zu sein. Wie blickte die Welt vor Jahresfris­t in die Zukunft, und dann kam das blöde Virus und raubte viel, auch Aufmerksam­keit für Anderes. Dennoch ist fix: 2021 gehen zwei große Ären zu Ende, unwiderruf­lich. Und die Frage, was folgt, ist sehr schwierig zu beantworte­n.

Die eine Ära ist die Mitgliedsc­haft Großbritan­niens in der Europäisch­en Union. Sie begann vor fast 50 Jahren (damals EWG) und endete eigentlich schon mit Jahresbegi­nn, jetzt aber definitiv wenigstens auch mit Handelsver­trag. Sie war aus Sicht Londons nie eine große Liebe, die Briten waren immer ein schwierige­r Partner. Aber das Gewicht Großbritan­niens in der Union in sicherheit­spolitisch­er, in gemeinscha­ftlicher Hinsicht und im Kräftespie­l der Großen wird schmerzlic­h fehlen. Gerade bei der Suche EUEuropas nach seiner Rolle in stürmische­n Zeiten. Den ökonomisch­en Nachteil werden eher die Briten zu tragen haben.

Die andere Ära, die endet, hat ebenso Auswirkung auf Europa: Angela Merkel dankt nach 16 Jahren nicht nur als deutsche Kanzlerin ab, sondern mehr noch als Lokomotive in Europa, als Hort der Stabilität und Ratio in einem immer größer werdenden Polit-Umfeld aus Populismus und Egoismen, auch das ein stürmische­s Umfeld. Selbst große Merkel-Kritiker in den Medien haben angesichts der möglichen MerkelNach­folger

schon die Frage aufgeworfe­n, ob ihr Abgang wirklich unwiderruf lich sein muss ...

Eine dritte Ära ist gottlob nur ein Ära-chen geworden: das des Donald Trump. Trotz aller Rumpelstil­z-Taktik nach seiner Wahlnieder­lage muss er das Weiße Haus räumen und Platz machen für – die nächste Unbekannte: Was bringt Joe Biden mit, außer einem bunten, neuen Team und dem Geruch einer alten Establishm­ent-Ära? Ist er der Mann, der der Ära der Egomanen von Putin bis Erdoğan gegenhalte­n kann? Von der Ära des chinesisch­en Drachens nicht zu reden? Sie bricht nach Corona offenbar noch schneller an, als gedacht – wenigstens dieser Ausblick ist zu wagen.

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