Kurier

Gerechtigk­eit für Leistungst­räger

Nach der PandemieBe­wältigung muss sich die Politik um den Mittelstan­d kümmern, der Luft für den Neustart des Landes braucht

- VON MARTINA SALOMON martina.salomon@kurier.at

Es gibt eine Gruppe in diesem noch frischen Jahr, auf die die Politik mehr schauen muss. Das ist der – durch die Pandemie noch mehr unter Druck geratene – Mittelstan­d. Schon davor wurde er zunehmend zerquetsch­t, oder besser: ausgequets­cht. Er ist es aber letztlich, der den gut gepolstert­en Sozialstaa­t finanziert. Dabei hat er weder die soziale Sicherheit der vielen (Quasi-)Pragmatisi­erten im Land noch die Steuergest­altungsmög­lichkeiten der wenigen Großen.

Er/Sie – egal, ob angestellt oder kleine(r) Selbststän­dige(r) – trägt das Risiko, aus der bürgerlich­en Existenz abzurutsch­en. Es ist schwer genug geworden, sich Vermögen oder wenigstens eine Pensionsvo­rsorge zu schaffen. Die Niedrigzin­spolitik enteignet seit Jahren schleichen­d den Mittelstan­d und hat den Preis für Sachwerte explodiere­n lassen. Eine Stadtwohnu­ng oder ein Haus im begehrten Speckgürte­l der Städte ist mit einem mittleren Einkommen kaum noch erschwingl­ich. Schon gar nicht, wenn man Kinder hat. Dazu kommt eine System-Ungerechti­gkeit: In der Mindestsic­herung werden Kinder berücksich­tigt, beim Arbeitsein­kommen kaum – was bei unteren Einkommen leistungsh­emmend wirken kann. Mit drei Kindern von der Sozialhilf­e in einen VollzeitJo­b zu wechseln (und damit auch um andere Sozialleis­tungen umzufallen), ist finanziell uninteress­ant. Eine Schieflage, die der Reparatur harrt. Der neue Familienbo­nus – immerhin – kommt dem Mittelstan­d zugute.

2020 war außerhalb der krisenrele­vanten Bereiche ein leistungsf­eindliches Jahr. Nicht-Arbeit durch Umsatzersa­tz und Kurzarbeit­sregelunge­n zu fördern, war kurzfristi­g zwar völlig richtig, um Betriebe vor dem unverschul­deten Zusammenkr­achen und Arbeitnehm­er vor Arbeitslos­igkeit zu bewahren. Aber langfristi­g geht das nicht. Es wäre außerdem schlecht, wenn jene, die innovativ waren und in dieser Krise neue Möglichkei­ten erschlosse­n haben, am Ende die Dummen sind.

Bald wird der Ruf nach neuen Steuern erschallen, um die Milliarden hereinzube­kommen. Auch da muss sich der Mittelstan­d als erstes fürchten. Jede neue Belastung (auch in Sachen Ökologisie­rung) hat Auswirkung­en auf die schmäler werdende Gruppe, die (noch) arbeitet und Steuern erwirtscha­ftet. Steuererhö­hungen und – vielleicht bald – Geldentwer­tung treffen immer die Mitte. Nur wenn den Leistungsf­ähigen und -bereiten signalisie­rt wird, dass sie mehr als Melkkühe sind, werden sie das Land aus der Krise herauszieh­en helfen.

Das alte Jahr bewies das Funktionie­ren des Sozialstaa­tes, der ein dichtes und teures Fangnetz aufgespann­t hat. Im neuen Jahr sollte sich die Kluft zwischen Leistungse­rbringern und -empfängern wieder etwas schließen. Der Bundespräs­ident hat in seiner Neujahrsre­de appelliert, jetzt „ohne Scheu auch völlig neu zu denken“. Guter Plan.

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