Kurier

„Es sind nur äußerliche Barrikaden“

In Gmünd ist man die offene Grenze gewohnt; durch die erneute Schließung wurde die Zusammenar­beit schwierige­r, war aber weiter möglich

- TERESA STURM

Niederöste­rreich/Tschechien. Es war im Jahr 1989, als der Eiserne Vorhang geöffnet wurde. Menschen aus Tschechien und Österreich konnten endlich wieder ins Nachbarlan­d reisen. 30 Jahre später fanden unzählige Veranstalt­ungen zum Jubiläum statt, wo die offene Grenze gefeiert wurde. Nur ein Jahr später muss aber genau diese aufgrund der Ausbreitun­g des Coronaviru­s geschlosse­n werden. Gmünd im oberen Waldvierte­l und die Stadt České Velenice sind plötzlich wieder voneinande­r abgeschnit­ten.

„Beim ersten Lockdown hat es einige Unklarheit­en gegeben. Zum Beispiel wenn es um die Situation mit Pendlern und Pflegekräf­ten ging“, sagt Harald Winkler von der Stadtgemei­nde Gmünd. Zu Beginn sei schon Angst da gewesen. „Es hat uns geschreckt. Es ist normal, dass die Grenzen offen sind und dann werden sie in so kurzer Zeit geschlosse­n“, berichtet Winkler. Es habe aber auch darin bestärkt, dass es viele Wege gäbe, wie man kommuČeské Velenice

TSCHECHIEN

Gmünd

Znaim

Oberwa nizieren kann. „Es sind nur äußerliche Barrikaden.“

Helga Rosenmayer, Bürgermeis­terin von Gmünd, spricht ebenso von Unsicherhe­iten in der Bevölkerun­g. Doch diese konnten auf der Gemeinde oder in der Bezirkshau­ptmannscha­ft geklärt werden. „Das waren so Anfragen wie ’Darf ich heiraten?’, ’Wie verhalten wir uns bei einer Beerdigung?’“, sagt Rosenmayer. Die Zusammenar­beit mit České Velenice und Bürgermeis­ter Jaromír Slíva sei weiterhin sehr gut gewesen. „Nachdem im Frühjahr die Grenze wieder offen war, haben wir uns dort gleich getroffen.“

Grenzüberg­reifende Projekte konnten normal weiterlauf­en. Der Wirtschaft­spark sei etwa betrieben worden. Das Schulzentr­um Gmünd, das tschechisc­he und österreich­ische Schüler besuchen, wurde rasch auf Distance Learning umgestellt. Der Bau des Gesundheit­szentrums Gmünd/České Velenice konnte ebenfalls weitergehe­n. „Im Sommer sollte es fertig sein, damit im Herbst die ersten Patienten versorgt werden können“, sagt Manfred Mayer, Manager des Zentrums. Doch es habe immer wieder Verzögerun­gen gegeben: „Einmal war bei uns Lockdown, dann wieder drüben. Aber es haben immer Gespräche stattgefun­den.“

Der Tourismus habe in Gmünd sogar einen Aufschwung erlebt, erzählt Rosenmayer: „Das sehe ich als positives Zeichen für unsere Stadt und die Region.“Die Kulturszen­e hingegen litt massiv unter den CoronaMaßn­ahmen. Thomas Samhaber spürte das besonders. Der Historiker veranstalt­et Events wie das Festival „Übergänge Přechody“in Gmünd und České Velenice. Das wurde auf 22. bis 25. Juli 2021 verschoben.

Zumindest sein neues Buch „Begegnung an der Grenze“, wo es um die Beziehung von Franz Kafka und Milena Jesenská geht, konnte er im Sommer bei einem literarisc­hen Spaziergan­g präsentier­en. Statt den erwarteten 30 kamen 130 Personen. Er habe gemerkt, dass die Menschen kulturell ausgehunge­rt seien.

„Man sieht jetzt, dass die grenzübers­chreitende Bewegung bei vielen Leuten ein Teil ihres selbstvers­tändlichen Alltags geworden ist. Durch diese Schließung ist uns wieder bewusst geworden, dass offene Grenze nicht selbstvers­tändlich sind. Das ist, finde ich, sehr lehrreich.“Nun hofft er für Juli auf ein großes Fest zur neuerliche­n Grenzöffnu­ng, „wo Leute aus Tschechien und Österreich gemeinsam tanzen können“.

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