Der Kohl, der aus der Kälte kommt
Nach Weihnachten steht Gemüse hoch im Kurs. Da könnte man mal Grünkohl versuchen. Das Wintergemüse, das Norddeutsche lieben und Amerikaner als Smoothie trinken, wird beliebter. Der Gärtner Ganger weiß alles darüber
iehen Sie sich Gummistiefel an!“fordert Daniel Ganger uns auf. Zum Glück hat er für Besucher, die ohne passendes Schuhwerk auf sein Feld kommen, immer ein Paar parat. „Alle anderen Schuhe ruinieren Sie sich, wenn sie durch den Acker laufen“, erläutert der Juniorchef der Gärtnerei Ganger, die in Wien-Donaustadt, unweit der U2-Station Aspernstraße, beheimatet ist.
Der Weg auf das Feld führt durch die Glashäuser, in denen bis in den November hinein noch Gurken, Paradeiser und Paprika angebaut wurden – allesamt Pflanzen, die Wärme brauchen. Mittlerweile ist alles abgeerntet, weshalb es hier hell ist, aber dennoch seltsam verwaist wirkt. Erst im Frühjahr, wenn die Tage länger sind, geht es wieder mit der Arbeit los.
Im Dezember und Jänner hat nur noch Gemüse Saison, dem der Frost nichts ausmacht oder sogar gut tut. So wie dem Grünkohl, der hier in zwei Sorten angebaut wird – eine klassisch grüne und eine rote, die eher violett wirkt. „Dass Grünkohl zwingend einmal Minustemperaturen braucht, bevor man ihn erntet, ist ein Mythos“, erläutert Daniel Ganger (im Bild oben). Allerdings schätzt es der Kohl, wenn er über einen längeren Zeitraum niedrige Temperaturen hat: Dann produziert die Pflanze mehr Zucker, als sie zum Wachsen braucht. Sie wird dementsprechend süßer, gleichzeitig verliert sie ihre unangenehme Bitterkeit.
Grünkohl ist die vitaminreichste aller Kohlarten und zudem reich an Nährstoffen: Er liefert viel Kalzium, Eisen, Vitamin K und Vitamin C sowie eine Menge antioxidativ wirksamer Pflanzenstoffe – wohl ein Grund, warum er mittlerweile fast weltweit zu einem Trendgemüse geworden ist. In den USA wird der kale, wie ihn die Amerikaner nennen, schon seit einigen Jahren in hippen Restaurants und Bars als Smoothie kredenzt. Auch in Österreich, wo er wie im ganzen süddeutschen Raum eigentlich keine große Tradition hat, wird er immer beliebter. In heimischen Supermärkten ist er immer häufiger zu finden – auch der, der von der Familie Ganger angebaut wurde.
Eine lange Tradition hat der Grünkohl hingegen in Nord- und Westdeutschland. Dort ist er so etwas
wie ein Nationalgericht und gehört besonders im hohen Norden zu jedem Festmahl. Je nach Region werden unterschiedliche Würste zu ihm serviert – ganz bekannt ist Grünkohl mit Pinkel (siehe Rezept rechts oben). In Nordrhein-Westfalen wird er eher mit Mettwürstchen serviert, die jedoch mit der österreichischen Mettwurst nicht viel gemein haben.
Blattweise Winterernte
Doch zurück zum Feld am Stadtrand von Wien, wo Daniel Ganger zufrieden auf seinen Grünkohl schaut, an den Blättern riecht und einige von ihnen erntet: „Zum Glück ist das Gemüse sehr resistent, sodass wir keine Probleme mit Erdflöhen und ähnlichen Schädlingen haben, die uns sonst bei manchen Gemüsesorten ziemliches Kopfzerbrechen bereiten.“
Damit das Wintergemüse gut gedeiht, ist es wichtig, den Boden vorzubereiten: „Man sollte ihn gut düngen. Grünkohl liebt zudem lockeren Boden und einen sonnigen bis halbschattigen Standort“, weiß der Junior-Chef. An diesem trüben Morgen ist das aber wohl egal. Die Sonne lässt sich den ganzen Tag nicht blicken. Was Daniel Ganger an dem Trendgemüse gefällt: „Man kann es von November bis Februar ernten – und zwar blattweise. Es werden immer nur die äußeren Blätter abgeerntet.“Weil Österreicher immer mehr wert auf Regionalität legen, wird in Aspern noch weiteres Wintergemüse angebaut: Chinakohl, Kohlgemüse, Mangold, Zuckerhut oder der Palmkohl, der auch Schwarzkohl genannt wird.
Während der Hauptsaison verkauft Familie Ganger (gaertnerei-ganger.at) ihr Gemüse ab Hof. Hier bekommt man nicht nur Frisches aus eigenem Anbau, sondern auch Raritäten aus anderen Gegenden Österreichs, die unter der dem Dach „Genuss Region“vermarktet werden – auch Kräuter, Stauden und Gartenblumen wie etwa Pelargonien findet der Hobbygärtner. Wenn die Ernte besonders üppig ausfällt, wird sie teilweise zu Schmankerln wie Marmeladen, Chutneys oder Saucen verkocht. In regelmäßigen Abständen verwandelt sich der Hofladen nämlich in einen Bauernmarkt, auf dem auch Direkterzeuger aus der Region Fleisch, Käse, Brot und andere Köstlichkeiten anbieten.