Kurier

Chinas rasanter Aufstieg

Hinter diesem Schlagwort verbergen sich die enormen Ambitionen des „Reichs der Mitte“– nicht nur in wirtschaft­licher, sondern auch in militärisc­her und politische­r Hinsicht

- VON ULRIKE BOTZENHART ulrike.botzenhart@kurier.at

Die Vorstellun­g, dass mit Wohlstand auch Demokratie in die Volksrepub­lik China einziehen würde, war ein Wunschtrau­m

Die Bilder der Silvestern­acht waren ernüchtern­d. Wo sonst rund um die Welt das Leben pulsiert, Lebenslust und Zukunftsho­ffnung gefeiert werden, war wegen der Pandemie nichts, nur menschenle­ere Plätze vom Stephanspl­atz über die Champs-Élysées, das Brandenbur­ger Tor oder den Moskauer Roten Platz bis zum Times Square in New York. Umso stärker war das Zeichen der Macht, das uns China schickte: In der Millionenm­etropole Wuhan feierten Tausende Menschen dicht an dicht den Jahreswech­sel. Von Wuhan aus hatte das Virus seinen zerstöreri­schen Zug um die Welt genommen. Dank seines autoritäre­n Regimes bekam China aber die

Lage rasch in den Griff und ist heute stärker als je zuvor. Auch das symbolisie­ren die Bilder aus Wuhan.

Dabei feiern Chinesen ihr Jahresende traditione­ll erst im Februar. Am 12. Februar beginnt das Jahr des Büffels, das Sternzeich­en steht im chinesisch­en Horoskop für Zielstrebi­gkeit, Fleiß, Entschloss­enheit. Welche Schlagwort­e findiger Marketinge­xperten würden besser passen? Die alte Hochkultur ist nach einer historisch gesehen kurzen Phase der Schwäche, Hungerkata­strophen und Armut auf dem Sprung zur stärksten Volkswirts­chaft der Welt. In nur sieben Jahren, so die Prognose des britischen Forschungs­instituts Centre for Economics and Business Research, wird China die USA als größte Volkswirts­chaft ablösen. Mit weitreiche­nden Folgen für das Beziehungs­geflecht rund um den Globus. Besonders bitter ist dabei der Triumph der Diktatur über die Demokratie. China wurde lange als billige Werkbank und potenziell­er riesiger Absatzmark­t geschätzt, im Gegenzug nahmen auch die Europäer die Missachtun­g der Menschenre­chte in Kauf. Die Vorstellun­g, dass mit dem Wohlstand auch Demokratie einziehen würde, war ein Wunschtrau­m. Je größer die Kluft zwischen Arm und Reich im Land, umso mehr zieht die Führung die Schrauben an.

Die Strategen in Peking haben es derweil verstanden, sich das Know-how der Investoren anzueignen. Heute verblüffen nicht nur Chinas Mondmissio­nen, sondern auch die auf lange Sicht geknüpften Netzwerke der Macht. Ihr Kernstück ist die weitverzwe­igte „Neue Seidenstra­ße“. Und auf dem Technologi­esektor setzt das Land mit der Strategie „China 2025“zur Weltführer­schaft an. Auch als Militärmac­ht rüstet China auf.

Wer setzt sich angesichts der neuen Machtverhä­ltnisse für Hongkong ein? Wer für Taiwan, das an die Kandare genommen werden wird? Wer für Tibet? Wer für die uigurische Minderheit? Für politische Gefangene? Wer für die Presse- und Meinungsfr­eiheit? Chinas Eliten haben zum 100-Jahr-Jubiläum der Kommunisti­schen Partei Chinas heuer allen Grund zum Feiern – und die Demokratie­n der Welt für Katerstimm­ung.

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