Chinas rasanter Aufstieg
Hinter diesem Schlagwort verbergen sich die enormen Ambitionen des „Reichs der Mitte“– nicht nur in wirtschaftlicher, sondern auch in militärischer und politischer Hinsicht
Die Vorstellung, dass mit Wohlstand auch Demokratie in die Volksrepublik China einziehen würde, war ein Wunschtraum
Die Bilder der Silvesternacht waren ernüchternd. Wo sonst rund um die Welt das Leben pulsiert, Lebenslust und Zukunftshoffnung gefeiert werden, war wegen der Pandemie nichts, nur menschenleere Plätze vom Stephansplatz über die Champs-Élysées, das Brandenburger Tor oder den Moskauer Roten Platz bis zum Times Square in New York. Umso stärker war das Zeichen der Macht, das uns China schickte: In der Millionenmetropole Wuhan feierten Tausende Menschen dicht an dicht den Jahreswechsel. Von Wuhan aus hatte das Virus seinen zerstörerischen Zug um die Welt genommen. Dank seines autoritären Regimes bekam China aber die
Lage rasch in den Griff und ist heute stärker als je zuvor. Auch das symbolisieren die Bilder aus Wuhan.
Dabei feiern Chinesen ihr Jahresende traditionell erst im Februar. Am 12. Februar beginnt das Jahr des Büffels, das Sternzeichen steht im chinesischen Horoskop für Zielstrebigkeit, Fleiß, Entschlossenheit. Welche Schlagworte findiger Marketingexperten würden besser passen? Die alte Hochkultur ist nach einer historisch gesehen kurzen Phase der Schwäche, Hungerkatastrophen und Armut auf dem Sprung zur stärksten Volkswirtschaft der Welt. In nur sieben Jahren, so die Prognose des britischen Forschungsinstituts Centre for Economics and Business Research, wird China die USA als größte Volkswirtschaft ablösen. Mit weitreichenden Folgen für das Beziehungsgeflecht rund um den Globus. Besonders bitter ist dabei der Triumph der Diktatur über die Demokratie. China wurde lange als billige Werkbank und potenzieller riesiger Absatzmarkt geschätzt, im Gegenzug nahmen auch die Europäer die Missachtung der Menschenrechte in Kauf. Die Vorstellung, dass mit dem Wohlstand auch Demokratie einziehen würde, war ein Wunschtraum. Je größer die Kluft zwischen Arm und Reich im Land, umso mehr zieht die Führung die Schrauben an.
Die Strategen in Peking haben es derweil verstanden, sich das Know-how der Investoren anzueignen. Heute verblüffen nicht nur Chinas Mondmissionen, sondern auch die auf lange Sicht geknüpften Netzwerke der Macht. Ihr Kernstück ist die weitverzweigte „Neue Seidenstraße“. Und auf dem Technologiesektor setzt das Land mit der Strategie „China 2025“zur Weltführerschaft an. Auch als Militärmacht rüstet China auf.
Wer setzt sich angesichts der neuen Machtverhältnisse für Hongkong ein? Wer für Taiwan, das an die Kandare genommen werden wird? Wer für Tibet? Wer für die uigurische Minderheit? Für politische Gefangene? Wer für die Presse- und Meinungsfreiheit? Chinas Eliten haben zum 100-Jahr-Jubiläum der Kommunistischen Partei Chinas heuer allen Grund zum Feiern – und die Demokratien der Welt für Katerstimmung.