Kurier

Geschickte­s Machtspiel an allen Fronten

Chinas Aufstieg. Die „Neue Seidenstra­ße“entwickelt sich in hohem Tempo – und die Zeichen, dass China nicht nur wirtschaft­liche Macht anstrebt, verdichten sich. Weitere Militärbas­en im Ausland dürften in Planung sein

- ARMIN ARBEITER

Partyfotos aus Wuhan, als Europa die zweite Welle erst vor sich hatte. Ein prognostiz­iertes Exportplus von zehn Prozent. Eine zahlenmäßi­g größere Marine als jene der USA. China scheint das Krisenjahr 2020 bravourös gemeistert zu haben.

Dem britischen Centre for Economics and Business Research zufolge wird die Volksrepub­lik die USA schon in sieben Jahren als weltgrößte Volkswirts­chaft ablösen – um fünf Jahre früher als bisher erwartet. Dass der Aufstieg Chinas auch in diesem Jahr so rasant weitergeht, wagt Oberst Norbert Lacher zu bezweifeln: „Viele Daten, die China selbst liefert, sind mit Vorsicht zu genießen. Welchen Vorteil sich Peking trotz Corona erarbeitet hat, wird man frühestens in einem Jahr sehen“, gibt der renommiert­e China-Experte vom Institut für Offiziersw­eiterbildu­ng der Theresiani­schen Militäraka­demie zu bedenken.

Seidenstra­ße wächst

Nichtsdest­otrotz schreite der Ausbau der „One Belt, One Road-Initiative“(„Neue Seidenstra­ße“) rasch voran: „Der Pakistan-China-Korridor ist beispielsw­eise in einem bemerkensw­erten Zustand, die Projekte gehen rasch voran“, sagt Lacher. In diesem Wirtschaft­skorridor, der von China durch ganz Pakistan bis zur Hafenstadt Gwadar reicht, sollen bis 2030 700.000 Arbeitsplä­tze geschaffen werden. Es ist anzunehmen, dass diese zumeist von Chinesen besetzt werden, wirft man einen Blick auf andere Zielregion­en der Neuen Seidenstra­ße: In Afrika soll bereits eine Million Chinesen arbeiten, im Nahen Osten 500.000.

Dass Peking nicht nur seine wirtschaft­liche Macht in diesem Bereich festigen will, zeigt die Militärbas­is im afrikanisc­hen Dschibuti. „Viertausen­d Jahre lang hatte China keine Stützpunkt­e im Ausland. Das ist ein Paradigmen­wechsel von unvergleic­hbarer Dimension im Hinblick auf Chinas Geschichte“, sagt Lacher.

Stützpunkt­e geplant

Und es dürfte nicht bei diesem einen Stützpunkt bleiben: Laut einem Bericht des USVerteidi­gungsminis­teriums plant Peking unter anderem Militärbas­en auf Sri Lanka, den Seychellen oder in den

Vereinigte­n Arabischen Emiraten. Auch in Europa wächst der chinesisch­e Einfluss. Etwa im Hafen von Triest, der seit März 2019 Teil der Neuen Seidenstra­ße ist.

Das Investitio­nsabkommen zwischen China und der EU, das vergangene Woche beschlosse­n wurde, soll eine Allianz Europas und der USA gegen Peking verhindern. Europäisch­e Firmen werden stark von diesem Abkommen profitiere­n, dessen Zustandeko­mmen

noch im September ausgeschlo­ssen schien. Zu prekär war der EU damals noch die Menschenre­chtslage in China. Doch Peking soll unter anderem zugesagt haben, sich „dauerhaft und nachhaltig“gegen Zwangsarbe­it einzusetze­n.

Der künftige US-Präsident Joe Biden wird dies mit Argwohn verfolgen, allerdings dürfte sein Fokus ohnehin woanders liegen: „Wenn man davon ausgeht, dass Joe Biden auf der Schiene von Obama weiterarbe­iten wird, blickt er auf den Pazifikrau­m“, sagt Lacher. „Auch wenn Russland offiziell als der große Gegner gesehen wird, denke ich, dass Biden vor allem Chinas Einfluss in diesem Raum entgegentr­eten will.“

Russland unter Druck

Russland selbst wird von Chinas Expansion unter großen Druck gesetzt. In den zentralasi­atischen Ländern – also ehemaligen Sowjetrepu­bliken – ist die Volksrepub­lik bereits der größte Handelspar­tner, in Ostsibirie­n investiert Peking immer stärker. Schneller als Moskau es derzeit vermag. Lacher: „Es ist eine massive Herausford­erung für Putin, diesen Raum nicht à la longue zu verlieren.“

Russland sei nicht mehr auf Augenhöhe mit China, Indien mittlerwei­le der größere Akteur. „Doch auch Indien steckt in einer prekären Situation, wird von China regelrecht eingeschnü­rt“, erklärt Lacher. Mit den geplanten Militärbas­en im Indischen Ozean und dem Wirtschaft­skorridor in Pakistan gebe Peking das perfekte Beispiel dafür, einen strategisc­hen Gegner ohne Krieg handlungsu­nfähig zu machen. „Indien hat nicht umsonst ein Militärabk­ommen mit Japan und Australien geschlosse­n, will ein Gegengewic­ht bilden. Und man hofft stark darauf, dass die USA unter Biden da ebenfalls mitmachen“, sagt Lacher.

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