Kurier

Hans Peter Haselstein­er, Industriel­ler

Der Bau-Tycoon über Corona, Absprachen und seine Unterstütz­ung der Neos.

- VON ANDREA HODOSCHEK

KURIER: Wie managt die Regierung diese Krise?

Hans Peter Haselstein­er: Vergleiche sind schwer möglich, diese Situation ist in der Geschichte der Zweiten Republik einmalig. Der Zeitdruck ist groß und der Wissenssta­nd über die Pandemie gering. Dass das eine oder andere nicht optimal gelaufen ist, wissen wir, aber hinterher ist man immer gescheiter. Die Ankündigun­gsverkündi­gungen sind allerdings unergründl­ich.

Wie kommt die Strabag durch diese Krise?

Ich glaube, für die Strabag und die Bauwirtsch­aft im Allgemeine­n wird es 2021 einen Umsatzrück­gang geben. Die Gemeinde-Finanzieru­ngen fallen aus. Die Gemeinden sind die größten Auftraggeb­er der Republik. Privat fällt alles weg, was Tourismus-indiziert ist und die Nachfrage nach Büro- und Geschäftsm­ieten leidet auch.

Auch die Strabag ist in das größte Baukartell des Landes involviert. Sind Absprachen bei Großprojek­ten Usus?

Interessan­terweise sind Klein- und Kleinst-Projekte von den Kartell-Vorwürfen betroffen, was erklärt, dass dies unter dem Radar aller internen Kontrollin­strumente möglich war. Meine Kollegen und ich, wir sind sehr betroffen. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass alle unsere Bemühungen, aufzukläre­n und zu erziehen, nichts gefruchtet haben. Wir waren offenbar nicht rigoros genug.

Wie groß ist der Schaden?

Bei uns sind höchstens fünf Prozent, eher drei Prozent des Konzernums­atzes betroffen. Der Schaden geht jedoch weit darüber hinaus und betrifft die gesamte Branche, also auch mittlere und kleine Unternehme­n.

Was ist das für eine Unternehme­nskultur, wenn Mitarbeite­r so agieren?

Die inakzeptab­le Vorgangswe­ise einiger Weniger, die versuchten, ein regionales Kartell zu bilden, um damit ihre Gewinnbete­iligung zu verbessern, bringt die ganze Branche und zig tausend großartige­r Mitarbeite­r in Misskredit.

Wie wollen Sie Absprachen künftig verhindern?

Wir haben uns von den betroffene­n Mitarbeite­rn getrennt und treffen Vorkehrung­en, dass die Alarmglock­en früher läuten.

Kommen wir zu einem erfreulich­eren Thema. Sie treten in einer Start-up-Show auf, an wie vielen Neugründun­gen halten Sie mittlerwei­le Beteiligun­gen?

Schätze, drei Dutzend werden es schon sein.

Und wie viel haben Sie investiert?

Kann ich auf Anhieb auch nicht genau sagen, circa fünf Millionen werden zusammenko­mmen. Die Beteiligun­gen sind in der Unit „Peak Pride“zusammenge­fasst, diese verwaltet die Start-ups, begleitet sie und gibt, wenn notwendig, Hilfestell­ungen.

Sie haben sich einen bunten Bauchladen zusammenge­kauft, von Bio-Toiletten bis zu Zirbenholz-Möbeln. Macht das Sinn?

Das ist so, wenn man ohne Focus in Start-ups investiert.

Wie hoch ist die Erfolgsquo­te?

Einige überleben, wenige sind erfolgreic­h.

Spielt es sich wirklich so ab wie in der Puls-4-Sendung?

Eine Show lebt von der Dramaturgi­e. Ich sehe die Kandidaten tatsächlic­h das erste Mal und wir entscheide­n sehr rasch. Aber freilich wird alles nachher überprüft.

Geht den Junguntern­ehmern vor der Kamera manchmal die Leidenscha­ft durch?

Jeder verkauft sich halt so gut wie möglich und oft wird übertriebe­n, z. B. wenn ein Patent zwar angemeldet ist, aber die Erteilung noch in den Sternen steht. Andere wieder wollen gar keine Beteiligun­g, die sind nur auf einen Gratis-Werbeauftr­itt aus, um ihren Online-Shop anzukurbel­n.

Sie unterstütz­en die Aktion der Stadt Wien und der Wirtschaft­skammer „Stolz auf Wien“mit einer Million Euro. Die Stadt beteiligt sich z. B. an einem Juwelier und an Lokalen. Mutieren Sie als Wirtschaft­sliberaler jetzt zum Verstaatli­chungs-Fan?

Das ist keine Verstaatli­chung, sondern eine Hilfsaktio­n in Form von Minderheit­sbeteiligu­ngen, um zu verhindern, dass gut geführte Betriebe insolvent werden. Unter einer Verstaatli­chung verstehe ich ganz etwas anderes, nämlich den Einstieg der öffentlich­en Hand mit Mehrheit und Beherrschu­ng.

Es gibt doch genug CoronaHilf­en.

Leider nicht für alle, die sie bräuchten und oftmals nicht schnell genug. Viele Unternehme­n brauchen dringend Eigenkapit­alersatz, der auch wieder rückgeführ­t wird. Die Stadt erwirbt damit keinen Einfluss auf die Geschäftsf­ührung, sondern nur Kontrollre­chte. Verstaatli­chung schaut anders aus.

Zur Politik: Sie meinten, bei einer Koalition mit der ÖVP könnten die Neos erdrückt werden. Droht das mit der Wiener SPÖ nicht auch?

Für den kleineren Koalitions­partner besteht immer die Gefahr, vereinnahm­t zu werden, was durch die aktuelle Koalition auf Bundeseben­e deutlich demonstrie­rt wird. Die Neos werden ihre Grundsätze allerdings nicht so leichtfert­ig verraten.

Werden Sie die Neos weiter unterstütz­en?

So gut ich es vermag und so gut es gesetzlich möglich ist. Derzeit ist es finanziell ja verboten.

Sie haben überlegt, die Neos mit Vermögen auszustatt­en. Die Großpartei­en haben ja auch Vermögen.

Durch dieses Anlass-Gesetz, das kleine Parteien verhindern soll, geht das derzeit auch nicht. Es war ein großer Sündenfall der SPÖ, dieses Gesetz zu unterstütz­en, das mit Sicherheit als verfassung­swidrig aufgehoben wird.

Sie sind als ORF-Stiftungsr­at zurückgetr­eten. Weil sie den Vorsitzend­en, Ex-FPÖ-Chef

Steger, nicht absetzen konnten?

Ich stellte die Frage nach einer sinnvollen Änderung der Geschäftso­rdnung. Wenn der Stiftungsr­at viele neue Mitglieder bekommt, dann sollte auch der Vorsitzend­e neu gewählt werden. Steger hätte wiedergewä­hlt werden können, allerdings nicht mit meiner Stimme. Meine Abstimmung­sniederlag­e war aber nicht der Grund, warum ich zurückgele­gt habe.

Sondern?

Erstens kann ich nichts mehr beitragen. Ich bin kein Medienexpe­rte, sondern ein Bau-Mensch. Das Bauvorhabe­n am Küniglberg ist in trockenen Tüchern. Zweitens wird es keine ORF-Novelle geben, die mich interessie­rt hätte und die den ORF vom politische­n Einfluss befreien sollte.

Hat sich das unter Türkis verschlech­tert?

Der ORF war immer politisch abhängig. Jetzt ist der Stiftungsr­at eben mehrheitli­ch türkis.

Sind Sie für eine Verlängeru­ng von Generaldir­ektor Wrabetz?

Das steht leider nicht in meiner Macht, das entscheide­t allein der Bundeskanz­ler.

Formal der Stiftungsr­at.

Dreimal dürfen Sie raten, auf wen die Freundscha­ftsgruppe der ÖVP-Mandatare hören wird. Alle tun so, als wäre es anders und das soll man auch noch glauben. Das ist eine intellektu­elle Beleidigun­g.

Noch zur Kultur. Planen Sie neue Projekte?

Ich bin froh, wenn ich in Zeiten wie diesen die bestehende­n halten kann.

Bleiben die Festspiele in Erl erhalten?

Ja. Wir haben die WinterFest­spiele auf Ostern verschoben und hoffen auf einen Corona freien Festspiels­ommer.

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Haselstein­er: „Alarmglock­en müssen früher läuten“

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