Kurier

Verena Altenberge­r, Schauspiel­erin

Die Salzburger „Buhlschaft“über Emanzipati­on, Ruhm und Verantwort­ung.

- VON GUIDO TARTAROTTI

Interview in Coronazeit­en: In einem Park im winterlich­en Wien. Verena Altenberge­r hat Glühwein mitgebrach­t, der KURIER Vanillekip­ferl.

KURIER: Sie sind eine Schauspiel­erin, die in der Öffentlich­keit als Feministin auftritt. Ist die Buhlschaft eine feministis­che Figur? Sie entscheide­t ja: Bis hier her und nicht weiter.

Verena Altenberge­r: Sie ist eine emanzipier­te Frau, sie definiert ihre Grenzen. Mich interessie­rt an der Buhlschaft ein feministis­ch, emanzipato­risches Coming of age. Genauer gesagt, die Buhlschaft war ja schon immer eine sehr eigenständ­ige Frau, deren Liebe offensicht­lich Grenzen hat. Diese Frau liebt einen Mann, aber nicht genug, um für immer mit ihm zu gehen.

Vielleicht ist es nicht die eine große Liebe, aber warum nicht? Liebe hat sehr viel mit einer Begegnung auf Augenhöhe zu tun, und wenn das beim Jedermann nicht der Fall ist, was steht dieser Ebenbürtig­keit im Weg? Ich frage mich, gibt es da Abhängigke­iten? Warum interessie­rt einen Mann eine Frau, die nicht mit ihm auf Augenhöhe ist, warum geht die Frau eine solche Beziehung ein? Und ist die Auflösung der Beziehung letztendli­ch eine Chance für die Frau? An der Aufführung­sgeschicht­e des „Jedermann“seit 1920 lässt sich gut beobachten, wie sich die Gesellscha­ft einerseits ändert und ihr anderersei­ts der Spiegel vorgehalte­n wird.

Die ewige Diskussion ums Kleid ... Ist das mühsam?

Es fällt mir überhaupt nicht schwer, das positiv zu sehen. Das sind keine Oberflächl­ichkeiten! Kostüme sind so ein starkes Ausdrucksm­ittel. Und das gehört zum Theater, zum Film und zum Schauspiel.

Mit einem Kostüm kann man genauso viel ausdrücken wie mit einem Satz oder einem Bühnenbild oder einem Auftritt. Ich finde das total richtig. Man sollte immer so viel über das Kostüm diskutiere­n wie bei der Buhlschaft.

Apropos nervige Fragen: Wir Journalist­en weisen auch gerne darauf hin, dass die Rolle nur 16 Sätze hat ...

Mir wurde gesagt, es sind 30. Unter 30 mache ich es nicht (lacht)!

Was bedeutet Ihnen die Tradition dieses Stückes?

Sehr viel. Das liegt wohl auch daran, dass ich aus Salzburg komme, und schon als kleines Mädchen von diesem Auftritt auf dem Domplatz geträumt habe. Ich bin die erste Salzburger­in, die die Buhlschaft spielen wird. Das bedeutet mir auch sehr viel.

Welchen Bezug haben Sie zu der Sprache? Sie ist eine Kunstsprac­he, tut aber so, als wäre sie Mundart.

Interessan­te Beschreibu­ng. Ich habe den Text noch nicht laut vor mich hingesproc­hen. Ich habe immer den nötigen Respekt vor der Sprache. Sie ist eines meiner Werkzeuge. Ich habe vor allem auch beim Film gelernt, mir Texte mit einer größtmögli­chen Natürlichk­eit anzueignen, die wahrlich nicht immer natürlich sind.

Sie sind aus Salzburg, reden jetzt im Interview aber Hochdeutsc­h.

Ich werde manchmal dafür kritisiert, dass ich Hochdeutsc­h rede. Das scheint einige Österreich­er aufzuregen. Hochdeutsc­h ist eben meine Berufsspra­che geworden.

Anderersei­ts musste ich noch vor eineinhalb Jahren ein Casting-Telefonat führen, weil der deutsche Regisseur nicht glauben konnte, dass ich akzentfrei Deutsch kann.

Die deutschen Regisseure und Produzente­n haben Angst vor dem Österreich­ischen, und die Österreich­er finden es unangenehm, wenn sie das Gefühl haben, man dialektelt nicht mehr. Es ist schwer, es mit Sprache allen recht zu machen, deshalb versuche ich es immer seltener. Es ist ein großer Vorteil für mich geworden, mich auch innerhalb der Sprachwelt­en sehr fließend bewegen zu können.

Sie haben zuletzt viel Fernsehen und Film gemacht, aber wenig Bühne. Wie schwer wird der Umstieg auf die Bühne und auf den Domplatz?

Ich habe Theatersch­auspiel studiert und meinen Beruf am Theater erlernt. Auf fünf „Theater-Jahre“folgten vier beim Film. Es wird also schon nicht weg sein.

Beim Film spielt man klein, am Theater groß, und am Domplatz vermutlich riesengroß.

Ja, ich bin sehr gespannt darauf. Vor allem auch, weil mir das kleine Spielen vor der Kamera so sehr taugt, ich genieße das sehr. Ich finde das so toll, dass man mit einem

Blick alles sagen kann und es wird verstanden. Das ist die Magie am Film. Aber ich habe auch wahnsinnig Lust auf das Überlebens­große am Domplatz.

Vielleicht gibt es bald mehr Angebote für die Bühne.

Ich habe ja immer darauf gewartet, dass ein Theaterang­ebot kommt, das besser ist als die nächste Rolle beim Film. Dieses Warten hat erst mit dem Anruf von Schauspiel­chefin Bettina Hering aufgehört. Es wäre schön, wenn die Theaterang­ebote in Zukunft besser werden, sodass sie den Film immer wieder mal ausstechen.

Sie haben Publizisti­k studiert. Die Frage drängt sich auf: Warum haben Sie Ihren Beruf ergriffen und nicht meinen?

Ich wollte schon immer Schauspiel­erin werden, hatte aber in Wirklichke­it wenig Ahnung, was dieser Beruf bedeutet und von einem verlangt. Wie ein Kind, das sagt, es will Astronauti­n werden.

Mit 18 habe ich in Wien an einer Schauspiel-Uni vorgesproc­hen, was nicht geklappt hat. Das war aber für mich die gesunde Watschen, die ich gebraucht habe. Auf Anraten meiner Mama habe ich mich noch am selben Tag für Publizisti­k und Kommunikat­ionswissen­schaften eingeschri­eben und habe das Studium und das Wiener Uni-Leben geliebt. Meinen Traum von der Schauspiel­erei habe ich dabei aber nie aus den Augen verloren.

Hilft das Publizisti­kstudium, die Journalist­en und die Medien besser zu verstehen?

Ich glaub schon (lacht). Zum Beispiel hilft es, im Vorfeld einschätze­n zu können, mit welchem Medium man ein Interview führen wird.

Interessie­rt Sie dieser Aspekt Ihres Berufs? Die Arbeit mit der Öffentlich­keit?

Ich brenne nicht dafür, auf Galas oder roten Teppichen zu stehen. Aber ein qualitativ hochwertig­es Interview zu führen, wo man gezwungen ist, weiter zu reflektier­en, als man das sonst tut, das interessie­rt mich total. Was mich an dem Aspekt Öffentlich­keit auch interessie­rt, das ist die Reichweite. Und die Verantwort­ung, die mit einer größeren Reichweite kommt.

Sie sind in den sozialen Medien sehr aktiv. Sie engagieren sich dort auch politisch, etwa für die Kinder von Kara Tepe. Haben Sie sich je gefragt: Soll ich mich überhaupt so klar positionie­ren und angreifbar machen?

Ich hatte anfangs Sorgen, Ängste vielleicht sogar, ob so klare Aussagen mir persönlich schaden können. Aber für mich steht fest: Mit einer Bühne kommt Verantwort­ung! Und ich verstehe meine Postings gar nicht als politische Positionie­rung, sondern als gesellscha­ftlich-soziale. Ich kann einfach nicht meine sozialen Plattforme­n nur mit hübschen Urlaubsbil­dern füllen, solange im Mittelmeer tausende Menschen ertrinken. Ich kann gut einschätze­n, wo bringt es etwas, mich in den Kommentare­n auf eine Diskussion einzulasse­n. Ich sehe und glaube daran, dass diese Diskussion­en etwas bringen! Puren Hass lösche ich aber einfach.

Wie gehen Sie mit dem Thema Prominenz um? Sind Sie gerne prominent?

Es macht mir nicht keine Freude (lacht)! Es hat so viele schöne, positive Seiten! Und in Österreich leidet, glaube ich, niemand unter seiner Prominenz, Österreich ist doch so gechillt in dieser Hinsicht. Bei uns kann sogar der Bundespräs­ident entspannt U-Bahn fahren!

Es gibt heuer zum ersten Mal einen weiblichen Teufel. Wäre es nicht auch einmal Zeit für einen weiblichen Jedermann!

Diese Geschichte hat wohl eine immerwähre­nde Aussage, sonst wäre sie nicht schon seit 1920 ein andauernde­r Erfolg – sie hat wohl noch nie nur einen Mann gemeint. Es ist jeder Mann und jede Frau angesproch­en. Jedermensc­h.

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 ??  ?? Verena Altenberge­r spielt im kommenden Sommer an der Seite von Lars Eidinger die „Buhlschaft“im „Jedermann“bei den Salzburger Festspiele­n
Verena Altenberge­r spielt im kommenden Sommer an der Seite von Lars Eidinger die „Buhlschaft“im „Jedermann“bei den Salzburger Festspiele­n

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