Kurier

Private Investoren sollen Firmen retten

Lebensfähi­ge Betriebe sollen nicht nur vom Staat unterstütz­t werden

- VON ROBERT KLEEDORFER

Rund 40 Prozent weniger Firmeninso­lvenzen gab es im Vorjahr in Österreich. Eigentlich eine gute Nachricht, könnte man meinen. Doch Experten wie Willi Cernko sehen das anders. „Vieles wird gestundet, über Verlängeru­ngen wird gesprochen. Aber was passiert danach? Wir schieben eine Bugwelle vor uns her“, sagt der Firmenkund­envorstand der Erste Bank im KURIER-Gespräch.

Derzeit werde allen Unternehme­n mit lebensverl­ängernden Maßnahmen eine Brücke gebaut. Auch jenen, die schon vor der Krise nicht mehr gesund gewesen seien. „Wir können nur denjenigen mit zukunftstr­ächtigen Modellen weiterhelf­en“, meint Cernko. Doch wie wird die Spreu von Weizen getrennt? Cernko kann sich vorstellen, dass Wirtschaft­streuhände­r auf Betreiben der

Gläubiger ein kurzes Expose (2 bis 3 Seiten) über das jeweilige Geschäftsm­odell erstellen in Hinblick darauf, ob es eine Chance hat, wieder selbst und dauerhaft auf die Beine zu kommen. Sei dies der Fall, so der Banker, könne man bei diesen durchaus weiterhin sehr großzügig mit Stundungen sein.

Das weitaus größere Thema sei infolge aber, wie der Pufferspei­cher, sprich das Eigenkapit­al, wieder aufgefüllt werden könne. „Viele haben ihr Eigenkapit­al, das in Österreich ohnehin schon niedrig ist, aufgezehrt.“Daher sei es an der Zeit, die Rahmenbedi­ngungen zu schaffen, um Private am Wiederaufb­au bzw. Unternehme­nserfolg zu beteiligen. „Es wäre viel Liquidität da“, erinnert der Banker an die derzeit extrem hohe Sparquote. „Der Staat kann nicht immer Kapital zur Verfügung stellen.“

Das Instrument dazu muss laut Cernko internatio­nal etabliert sein. Er denkt dabei etwa an die sogenannte­n SICAV-Fonds (ein offener Investment­fonds, der an mehreren Unternehme­n beteiligt ist, Anm.). „Diese würden zuerst die profession­elle Finanz-Community ansprechen und infolge private Investoren nachziehen“, hofft Cernko. Voraussetz­ung für beide Seiten: „Der Unternehme­r muss weiterhin die Kontrolle haben.“Denn sonst, so fürchtet Cernko, werde er kein Interesse an einer solchen Beteiligun­g haben. „Aber die Investoren werden Transparen­z haben wollen.“Die Beteilunge­n sollten rund 20 Prozent ausmachen. Im Vorhinein sollte klar sein, welche Rechte und Pflichten beide Seiten haben und wie lange ein Investment vorgesehen ist. „Es sollte keine Absicht sein, auf immer und ewig beteiligt zu bleiben“, sagt Cernko. Er denkt an Zeiträume von fünf bis sieben Jahren.

Keine Spekulatio­n

Da es sich dabei für die Investoren um Risikokapi­tal handelt, läge die Verzinsung entspreche­nd bei 10 bis 15 Prozent im Jahr. „Dabei handelt es sich aber nicht um Spekulatio­n“, stellt Cernko klar. Investoren würden in Zeiten von tiefen Zinsen vom Aufschwung an sich gesunder Unternehme­n partizipie­ren.

Etwaige Verluste müssten steuerlich berücksich­tigt werden können.

Eine weitere Möglichkei­t ist Cernko zufolge der Ausbau von Crowdfundi­ng, das kleinteili­ger und niederschw­elliger sei. Diese sei vor allem für die Gastronomi­e, den Kulturbere­ich und den Tourismus geeignet, da hier auch in Naturalien ausgezahlt werden könne. Unabhängig davon sieht er insbesonde­re im Tourismus gewaltige Probleme. „Ich will den Tourismus nicht krank- oder totreden. Aber ich erwarte hier einen gewaltigen Nachholeff­ekt bei den Insolvenze­n. Viele wollen zusperren, aber fürchten sich vor einer Privatinso­lvenz. Hier ist die Politik gefordert, Ruhe zu schaffen.“Cernko selbst sei schon mit dem Finanzmini­sterium in Gesprächen, wie man Anreize setzen kann, um privates Kapital für Investitio­nen zu nutzen.

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Heimische Klein- und Mittelbetr­iebe sind oft kapitalsch­wach aufgestell­t. Um sich von Krediten unabhängig­er zu machen, soll Beteiligun­gskapital forciert werden
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Erste-Bank-Firmenkund­envorstand Willi Cernko

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