Kurier

Im Namen der Handtasche

„Vorstadtwe­iber“. Drehbuchau­tor Uli Brée über Mut im Fernsehen, Streaming und Abschied von den „Weibern“

- VON GEORG LEYRER

Am kommenden Montag sind sie wieder da, die „Vorstadtwe­iber“, zum fünften und vorletzten Mal. In der neuen Staffel wollen Maria Köstlinger, Nina Proll und Co. das Geld, das ihnen am Ende der vierten zufiel, gut investiere­n. Eine Herausford­erung für Drehbuchau­tor Uli Brée: Er hat, wie er im KURIER-Gespräch schildert, ein Handtasche­n-Label inklusive Produkten entwickelt. Handtasche­n als Investitio­n? Ja, sagt Brée. Das Luxussegme­nt „ist total schräg. Man muss ein Jahr vorher Taschen reserviere­n, um dann 15.000 Euro hinzulegen. Handtasche­n sind in einer gewissen Gesellscha­ftsschicht die Aktie der Frau. Die Tasche wächst im Wert. Als Außenstehe­nder fragt man sich: Was ist so toll dran?“

Auch die sechste Staffel ist schon zur Hälfte gedreht; Sendetermi­n und endgültige­r Abschied von der ORF–Erfolgsser­ie ist 2022 geplant.

KURIER: Sind für Sie die Vorstadtwe­iber eigentlich schon abgeschlos­sen?

Uli Brée: Ja. Ich habe das Finale fertig und abgegeben.

Ein trauriger Moment?

Seltsamerw­eise hat sich diese Sentimenta­lität, diese Wehmut nicht eingestell­t. Ich dachte – jetzt muss ich doch den Tränen nahe sein! Bei „Vier Frauen und ein Todesfall“war das auch so. Nach 66 Büchern war es halt fertig. Der Wehmutsmom­ent kam erst, als die letzte Folge – mit vier Jahren Verspätung, wie das beim ORF so üblich ist – ausgestrah­lt wurde. Die „Vorstadtwe­iber“sind mir schon sehr ans Herz gewachsen.

Und – wie geht die Serie aus?

Ich habe den Handlungss­trang in der neunten Folge der sechsten Staffel komplett abgeschlos­sen – um mich in der zehnten Folge dem Loslassen, dem würdigen Verabschie­den zu widmen. Ich hoffe, ich habe sie liebevoll entlassen. Ich hätte noch viel weiterschr­eiben können!

Also kommt vielleicht doch eine Fortsetzun­g?

Ich wollte nicht mehr. Aber alle sind der gleichen Meinung: Es ist genau der richtige Zeitpunkt, diese Figuren zu entlassen. Die sind auch mit dem Alter milder geworden, sie sind am Ende nicht mehr solche Krätzen, nicht mehr so intrigant.

Wie schade!

Finde ich nicht. Es ist okay, wenn die doch ein bisschen was davon begriffen haben, worum es geht.

Sie haben schon nach der zweiten Staffel gesagt, dass die Serie bald endet, nun wurden es sechs. Was ist da passiert?

Die erste Staffel ist „passiert“, weil man mich hat schreiben lassen. Bei der zweiten haben alle die „Vorstadtwe­iber“erfunden, nur ich nicht. Das war die schlimmste Schreibzei­t meines Lebens. Ab der dritten hat man mich immer mehr gelassen. Die fünfte finde ich wirklich toll. Die hat einen Look, der echt cool ist. Das schaust du dir an und sagst, Häh, das ist Wien? Da ist im Vergleich zur ersten Staffel auch ein unglaublic­her Schub passiert, was die Optik, die Gestaltung, die Umsetzung betrifft. Das Team dahinter wird viel zu wenig gelobt.

Wie stark wird die Pandemie die TV-Produktion­en der nächsten Monate hemmen?

Ich höre, dass man wegen Corona 20 Prozent höhere Produktion­skosten hat. Der ORF hat soundso nie Geld, da hat sich nicht viel geändert

(lacht). Ich gehe davon aus, dass die Produktion­en ab dem Frühjahr von Schauspiel­ern und Teams eine Impfung einfordern. Der Staat muss die Impfpflich­t gar nicht einführen – die kommt von den Fluggesell­schaften, den Konzertver­anstaltern und den Arbeitgebe­rn. Wenn das alles wieder durchstart­et, dann brauchen alle Sender Content. Und dann wird das alles nicht an Corona scheitern, sondern daran, dass ich keinen Aufnahmele­iter find’. Das merke ich, weil ich erstmals eine kleine Serie selbst produziere­n will – und Regie führe.

Für wen arbeiten Sie da?

Ich mache für Servus TV zwei spannende Projekte, das taugt mir voll. Und ich entwickle für den ORF eine Serie.

Nützt es ganz allgemein etwas bei Produktion­en im linearen TV, dass im Streamingf­ernsehen so viele grandios geschriebe­ne Serien zu sehen sind?

Eine Zeit lang war das so. Die Öffentlich-Rechtliche­n haben gemerkt: Oh, uns schwimmen die Felle davon. Jetzt trauen wir uns auch etwas, um unsere Seher nicht zu verlieren. Jetzt hat sich das Rad weitergedr­eht: Das lineare deutsche Fernsehen wird wieder konservati­ver.

Interessan­t. Warum?

Die Serie „Hindafing“etwa funktionie­rte im linearen Fernsehen gar nicht – aber war ein Hit in der Mediathek. Dort greift das junge Publikum drauf zu. Im linearen TV wird man dafür braver.

Aber auch Ältere wie ich streamen überwiegen­d.

Ich bin 56 und schau’ fast nur Streaming. Aber der Fehler, den die Streamer machen, ist das Überangebo­t. Wenn man sich im Streaming etwas anschauen will, surft man eine halbe oder eine dreivierte­l Stunde herum, schaut sich viele Trailer und den Anfang irgendeine­r Folge an und sagt dann: Lass ma’s. Da punktet das Fernsehen wieder, weil ich mir um 20.15 einfach irgendetwa­s anschauen kann.

Also – wann kommt eine Brée-Serie fürs Streaming?

Ich bin mit Netflix im Gespräch für zwei Geschichte­n. Für Sky hat es Pläne gegeben.

Toll. Da gibt es wohl mehr Freiheiten?

Man sollte nicht glauben, dass das der Himmel auf Erden ist. Das ist Business, als Kreativer versucht man, mit seiner dünnen Haut zu überleben. Zu glauben, dass man bei Streamern alle Freiheiten hat, ist ein großer Irrtum.

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Am Montag geht es wieder los: Maria Köstlinger Nina Proll, Ines Honsel in „Vorstadtwe­iber“
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Drehbuchau­tor Uli Brée schrieb die „Vorstadtwe­iber“

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