Die Geister, die Trump rief
Es war längst zu spät. Als Donald Trump per Twitter zu friedlichen Demonstrationen in Washington aufrief, da waren seine teils bewaffneten Anhänger bereits dabei, das Kapitol zu stürmen. Die seit der verlorenen Wahl vom Präsidenten mit allen Mitteln betriebene Kampagne gegen einen vermeintlichen Wahlbetrug erfuhr am späten Nachmittag in der Hauptstadt ihre erschütternde Konsequenz. In einem täglichen Stakkato an eMails und Social-Media-Kommentaren hat Trump in den vergangenen Wochen Stimmung gegen die „gestohlene Wahl“gemacht. Die Botschaft war deutlich und sie unterstrich nur das, was er ohnehin immer und immer wieder vermittelt hatte: Die US-Demokratie sei unterwandert von Lobbies und politischen Eliten, die den Willen der Menschen ignorierten, nur er sei in der Lage, ihnen zu ihrem Recht zu verhelfen. Und genau dieses Recht meinen sich Trumps Anhänger nun in Washington zu verschaffen, mit der Waffe in der Hand und mit offener Gewalt.
Die Zweifel an der US-Demokratie sind in den Trump-Jahren unaufhaltsam stärker geworden, befeuert von einem Präsidenten, der ständig in kritischen Momenten deutlich nach rechts blinkte. Die erschreckenden Szenen in Washington sind nur der bislang jüngste Tiefpunkt einer politischen und sozialen Spaltung der USA. Diese Kluft wird nicht so rasch zugehen, auch wenn Joe Biden in zwei Wochen als Präsident antritt.