Kurier

„Und die draußen glauben, wir sitzen“

Vor 80 Jahren starb Fritz Grünbaum im KZ Geschichte­n mit Geschichte

- GEORG MARKUS georg.markus@kurier.at

„Den Grünbaum haben wir“, lautete die Schlagzeil­e des Nazi-Hetzblatte­s Völkischer Beobachter am 17. Mai 1938. Der Gestapo war es „gelungen“, einen der populärste­n Künstler Wiens in Haft zu nehmen. Drei Jahre später war er nicht mehr am Leben, zu Tode gefoltert im KZ.

Am Abend des 10. März 1938 stand Fritz Grünbaum noch mit Karl Farkas auf der Bühne des Simpl, vom Publikum belacht und bejubelt. Grünbaum war der unumschrän­kte König des Kabaretts. Er war 1880 als Sohn eines jüdischen Kunsthändl­ers in Brünn zur Welt gekommen und hatte sein Jusstudium in Wien als Stegreifdi­chter finanziert. Und er war so komisch, dass man ihn gleich in diverse Kabaretts engagierte.

Doppelconf­érence

1922 traf er im Simpl auf den 13 Jahre jüngeren Karl Farkas, mit dem er nun die Doppelconf­érence schuf.

FARKAS: Ich gehe vorgestern über die Straße – ein gellender Pfiff, ein Mann in jagender Hast eilt an mir vorbei, er trägt einen Frauenhut . . . GRÜNBAUM: Auf dem Kopf? FARKAS: In der Hand! Hinter ihm die Polizei. Der Mann hatte nämlich in dieser Nacht vier Mal in demselben Modesalon einen Einbruch verübt. GRÜNBAUM: Da hat er ja den ganzen Laden ausgeräumt? FARKAS: Nein, einen einzigen Hut hat er gestohlen – für die Frau, die er liebte! GRÜNBAUM: Warum musste er wegen eines einzigen Hutes vier Mal einbrechen? FARKAS: Sie hat ihn immer wieder zurückgesc­hickt – umtauschen!

Neben seiner Arbeit fürs Kabarett drehte Grünbaum Filme, er schrieb Theaterstü­cke, Revuen und Textbücher für die „Silberne Operette“, die von Lehár, Kálmán, Ziehrer und Robert Stolz vertont wurden.

In den 1920er-Jahren war Grünbaum auf den Wiener und Berliner Revue- und Kabarettbü­hnen die Nummer eins. Je schwerer die Zeiten waren, desto größer die Sehnsucht der Menschen, sich zu unterhalte­n: „Ein Conférenci­er“, erklärte er, „ist einer, der dem Publikum möglichst heiter zu erklären versucht, dass es heutzutag nix zu lachen gibt.“

Und dann der 10. März 1938. Grünbaums letzte Vorstellun­g. Die Bühne des Simpl wird abgedunkel­t. „Ich sehe nichts“, sagt er. „Absolut gar nichts. Da muss ich mich in die nationalso­zialistisc­he Kultur verirrt haben“.

Die glauben, wir sitzen

Zwei Tage später marschiere­n Hitlers Truppen ein, Grünbaum versucht zu flüchten, wird jedoch festgenomm­en. Im Gefängnis in der Karajangas­se trifft er auf den ebenfalls inhaftiert­en Bruno Kreisky, der sich nach dem Krieg erinnert: „Wir mussten den ganzen Tag gehen, das waren Bosheiten, die sie uns antun wollten, und da sah der Fritz Grünbaum zu mir auf und sagte: ,Und die draußen glauben, wir sitzen!’“

Grünbaum wird nach Dachau deportiert, wo er vor 80 Jahren, am 14. Jänner 1941 im Alter von 60 Jahren stirbt. An „Herzlähmun­g“, wie es im Totenschei­n heißt.

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In Dachau zu Tode gefoltert: Fritz Grünbaum, 1880-1941
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