„Und die draußen glauben, wir sitzen“
Vor 80 Jahren starb Fritz Grünbaum im KZ Geschichten mit Geschichte
„Den Grünbaum haben wir“, lautete die Schlagzeile des Nazi-Hetzblattes Völkischer Beobachter am 17. Mai 1938. Der Gestapo war es „gelungen“, einen der populärsten Künstler Wiens in Haft zu nehmen. Drei Jahre später war er nicht mehr am Leben, zu Tode gefoltert im KZ.
Am Abend des 10. März 1938 stand Fritz Grünbaum noch mit Karl Farkas auf der Bühne des Simpl, vom Publikum belacht und bejubelt. Grünbaum war der unumschränkte König des Kabaretts. Er war 1880 als Sohn eines jüdischen Kunsthändlers in Brünn zur Welt gekommen und hatte sein Jusstudium in Wien als Stegreifdichter finanziert. Und er war so komisch, dass man ihn gleich in diverse Kabaretts engagierte.
Doppelconférence
1922 traf er im Simpl auf den 13 Jahre jüngeren Karl Farkas, mit dem er nun die Doppelconférence schuf.
FARKAS: Ich gehe vorgestern über die Straße – ein gellender Pfiff, ein Mann in jagender Hast eilt an mir vorbei, er trägt einen Frauenhut . . . GRÜNBAUM: Auf dem Kopf? FARKAS: In der Hand! Hinter ihm die Polizei. Der Mann hatte nämlich in dieser Nacht vier Mal in demselben Modesalon einen Einbruch verübt. GRÜNBAUM: Da hat er ja den ganzen Laden ausgeräumt? FARKAS: Nein, einen einzigen Hut hat er gestohlen – für die Frau, die er liebte! GRÜNBAUM: Warum musste er wegen eines einzigen Hutes vier Mal einbrechen? FARKAS: Sie hat ihn immer wieder zurückgeschickt – umtauschen!
Neben seiner Arbeit fürs Kabarett drehte Grünbaum Filme, er schrieb Theaterstücke, Revuen und Textbücher für die „Silberne Operette“, die von Lehár, Kálmán, Ziehrer und Robert Stolz vertont wurden.
In den 1920er-Jahren war Grünbaum auf den Wiener und Berliner Revue- und Kabarettbühnen die Nummer eins. Je schwerer die Zeiten waren, desto größer die Sehnsucht der Menschen, sich zu unterhalten: „Ein Conférencier“, erklärte er, „ist einer, der dem Publikum möglichst heiter zu erklären versucht, dass es heutzutag nix zu lachen gibt.“
Und dann der 10. März 1938. Grünbaums letzte Vorstellung. Die Bühne des Simpl wird abgedunkelt. „Ich sehe nichts“, sagt er. „Absolut gar nichts. Da muss ich mich in die nationalsozialistische Kultur verirrt haben“.
Die glauben, wir sitzen
Zwei Tage später marschieren Hitlers Truppen ein, Grünbaum versucht zu flüchten, wird jedoch festgenommen. Im Gefängnis in der Karajangasse trifft er auf den ebenfalls inhaftierten Bruno Kreisky, der sich nach dem Krieg erinnert: „Wir mussten den ganzen Tag gehen, das waren Bosheiten, die sie uns antun wollten, und da sah der Fritz Grünbaum zu mir auf und sagte: ,Und die draußen glauben, wir sitzen!’“
Grünbaum wird nach Dachau deportiert, wo er vor 80 Jahren, am 14. Jänner 1941 im Alter von 60 Jahren stirbt. An „Herzlähmung“, wie es im Totenschein heißt.