Kurier

Trump-Anhänger stürmen das Kapitol

USA IM CHAOS

- ULRIKE BOTZENHART INGRID STEINER-GASHI

Beispiello­se Szenen. Als der Wahlsieg Joe Bidens im Kongress feststand, stürmte ein gewalttäti­ger Mob das Kapitol. Donald Trump goss noch Öl ins Feuer: „Sieg gestohlen“

Was sich Mittwoch Nachmittag in Washington abspielte, waren nie gesehene Bilder: Nach all den Wochen des Einpeitsch­ens und der Reden von Wahlbetrug durch USPräsiden­t Donald Trump, waren seine Anhänger nicht mehr zu halten. Auch gestern hat Trump Tausende seiner treuesten Anhänger im Regierungs­bezirk von Washington noch eingeschwo­ren, sich nicht den Sieg stehlen zu lassen. Im Kongress begann zeitgleich das Prozedere der formalen Bestätigun­g des Wahlsieges von Joe Biden.

Trumps Vizepräsid­ent Pence solle das verhindern, trommelte Trump. Als Pence ihm mit Verweis auf die USVerfassu­ng die Gefolgscha­ft verweigert­e, eskalierte die Lage. Trump-Anhänger stürmten die Stufen zum Kapitol hinauf und drangen in das Kongressge­bäude ein. Von Polizei war dabei lange Zeit nichts zu sehen.

Evakuierun­g

Dann gingen Tränengas-Bilder um die Welt. Fenster wurden eingeschla­gen, Schüsse fielen, eine Frau wurde schwer verletzt. Protestier­ende

trommelten an die Türen der Sitzungssä­le. Die Säle wurden evakuiert, Vizepräsid­ent Pence wurde in Sicherheit

gebracht. Er verurteilt­e die Geschehnis­se rund um das Kapitol. „Friedliche­r Protest ist das Recht jedes Amerikaner­s, aber dieser Angriff auf unser Kapitol wird nicht toleriert werden, und jene, die daran beteiligt sind, werden mit der ganzen Härte des Gesetzes zur Verantwort­ung gezogen“, twitterte Pence.

„Das ist Aufruhr“

Auch der künftige Präsident Joe Biden reagierte entsetzt: „Das Kapitol zu stürmen, Fenster einzuschla­gen, Büros zu besetzen, den Senat der Vereinigte­n Staaten zu besetzen, durch die Schreibtis­che des Repräsenta­ntenhauses im

Kapitol zu stöbern und die Sicherheit ordnungsge­mäß gewählter Beamter zu bedrohen, ist kein Protest“, sagte Biden. „Es ist Aufruhr.“

Offensicht­lich überrascht von dem Sturm, den er entfachte, forderte Trump seine Anhänger auf, bei ihrem Protest, friedlich zu bleiben. „Keine Gewalt!“, schrieb er und bat die Demonstran­ten, die Polizei und Sicherheit­skräfte zu unterstütz­en.

Den Angriff auf das Parlament aber verurteilt­e er nicht. „Ich weiß, wie Ihr Euch fühlt, aber geht nach Hause“, sagte Trump später in einem Video. Dann lobte er die Demonstran­ten: „Wir lieben Euch, Ihr seid sehr besonders.“Und erneut behauptete er, dass die Wahl „gestohlen“worden sei.

„Todesspira­le“

Der Chef der Republikan­er Mitch McConnell war es, der kurz vor der Eskalation seine Parteikoll­egen und die wütenden Trump-Anhänger vor dem Kongressge­bäude in Washington eindringli­ch gewarnt hatte: „Wenn wir das Ergebnis der Wahl verwerfen, beschädige­n wir unsere Republik für immer. Dann gerät unsere Demokratie in eine Todesspira­le.“

Die Nationalga­rde wurde in die US-Hauptstadt beordert, eine Ausgangssp­erre über die Stadt verhängt. Im Gebäude zückte die Polizei immer wieder Schusswaff­en, um die Abgeordnet­en im Kapitol gegen die militanten Anhänger Trumps zu schützen.

„Die Sicherheit­sleute des Repräsenta­ntenhauses und die Polizei des Kapitols haben ihre Waffen gezogen, während Demonstran­ten gegen die Eingangstü­r des Repräsenta­ntenhauses schlagen“, berichtete der Abgeordnet­er Dan Kildee über den Onlinedien­st Twitter. „Wir sind angewiesen worden, uns auf den Boden zu legen und unsere Gasmasken anzulegen.“

Ein anderer Abgeordnet­er, Jim Himes, berichtete über Twitter aus dem Kongress, in der Rotunde des Kapitols werde Tränengas eingesetzt. „Die Polizei hat uns aufgeforde­rt, die Gasmasken herauszuho­len, während in der Rotunde Tränengas zum Einsatz kam.“

Mehrere frühere Weggefährt­en drängten Trump, deutlicher zu werden und die Aktion der Demonstran­ten klar zu verurteile­n. „Sie sind der Einzige, auf den sie hören werden“, sagte Trumps frühere Kommunikat­ionschefin Alyssa Farah. „Verurteile­n Sie das jetzt.“

Auch in anderen US-Bundesstaa­ten demonstrie­rten am Mittwoch Trump-Anhänger vor nationalen Parlamente­n, allerdings in wesentlich kleinerer Zahl und meist friedlich. Derartige Proteste habe es in Georgia, Kansas, Colorado und Oregon gegeben, berichtete CNN.

Die Parteizent­rale der Demokraten musste unterdesse­n laut New York Times ebenfalls evakuiert werden. Und bei der Parteizent­rale der Republikan­er wurde ein Sprengsatz gefunden und kontrollie­rt gesprengt.

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 ??  ?? Die Demonstran­ten und Trump-Anhänger drangen tief in die Räume des Kapitols ein, die Polizei setzte wenig später Tränengas ein
Die Demonstran­ten und Trump-Anhänger drangen tief in die Räume des Kapitols ein, die Polizei setzte wenig später Tränengas ein
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Ein Demonstran­t saß im Senat auf dem Sessel des Vorsitzend­en

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