Kurier

Verwaltung von vorvorgest­ern

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LEITARTIKE­L VON MARTINA SALOMON Die Pandemie war ein peinlicher Offenbarun­gseid für die Bürokratie. „Bestanden“hat den Härtetest bisher nur das Bundesheer

Man mag sich über manches aufregen, aber letzten Endes ist Österreich ein solide verwaltete­s Land: Bis vor Kurzem war diese Geschichte glaubwürdi­g. Bestätigun­g fand sie so wie jedes Jahr zu Weihnachte­n – die Müllabfuhr funktionie­rte. Natürlich hat das seinen Preis: Wir haben eine teure Verwaltung. Doch nicht nur die Pandemie führt uns vor Augen, dass wir möglicherw­eise nur eine Schönwette­rbürokrati­e haben.

Hätte Google die Stopp Corona-App sowie das „Kaufhaus Österreich“fabriziert und Amazon die Impfung organisier­t, hätte das wohl besser funktionie­rt. Und hätte die Behörde und nicht die globalisie­rte Pharmaindu­strie einen Impfstoff entwickelt, würden wir noch lange darauf warten. Einen unbeabsich­tigten Offenbarun­gseid machte Dienstagab­end in der ZiB2 eine Gesundheit­s-Sektionsch­efin, die zwar modern „Chief Medical Officer“(statt „Generaldir­ektor für öffentlich­e Gesundheit“) heißt, aber die Bürokratie von vorvorgest­ern vertreten muss.

Sie gab zu, dass man für den elektronis­chen Impfpass 22 Jahre gebraucht hätte und jetzt dank der Krise „nur“zwölf. Wie bitte? Dass die Dame vom derzeit besonders hyperventi­lierenden Social-Media-Mob „gefressen“wurde, ist nicht ganz gerecht: Sie ist erst seit Dezember im Amt und erzählte den schwerfäll­igen bürokratis­chen Status quo (wozu im Gesundheit­sbereich viel zu viele Mitredende gehören, auch der Selbstverw­altungskör­per der Krankenkas­sen sowie ein lähmender Vollzugsfö­deralismus). Selbst das läppische Personal-Bild auf der eCard dauerte Jahrzehnte – davor hatte man erzählt, dass es unmöglich sei. Die eCard selbst wurde von der Ärztestand­esvertretu­ng jahrelang bekämpft und ist dank Datenschut­zbedenken nicht sehr funktionel­l. Dazu kommt noch, dass das Land zu den Schulferie­n traditione­ll zusperrt.

Eine bis dato eher wenig geliebte Institutio­n macht den besten Job: das Bundesheer. Vielleicht liegt das auch an der „Befehlsstr­uktur“: Beamte müssen vorsichtig, korrekt, abwägend sein. Ein Minister muss anordnen – und in einer Pandemie schneller als sonst sein. Dafür scheint Rudolf Anschober das Naturell zu fehlen. Noch dazu blieben ausgerechn­et die für die Pandemie wichtigen Stellen seines Ministeriu­ms lange unbesetzt: die Legistik, der Gesundheit­sdirektor, der noch immer vakante Oberste Sanitätsra­t. Letzterem ist das Impfgremiu­m zugeordnet, dessen Strategie zu wenig berücksich­tigt wurde.

Der Impfstart war, freundlich ausgedrück­t, „pomali“. Dass andere (etwa Frankreich) noch weniger weiterbrin­gen, darf keine Ausrede sein. Letztlich können wir aber dennoch auf die Verlässlic­hkeit unserer Bürokratie hoffen: Alle, die das wollen, werden geimpft. Irgendwann, wenn diese Monate wie ein böser Traum hinter uns liegen, muss sich die Politik aber um einen effiziente­ren Staat kümmern.

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