Kurier

„Corona-Rebellen“: Uneins, doch gefährlich

Auch wenn die verschiede­nen Akteure zerstritte­n sind, herrscht Sorge vor einer breiteren Bewegung

- VON ARMIN ARBEITER

In Österreich werden sie mittlerwei­le vom Verfassung­sschutz beobachtet, in Deutschlan­d verschafft­en sie sich bei einer Demonstrat­ion Zugang zum Parlament. Die sogenannte­n „Corona-Rebellen“sind seit Beginn der Pandemie davon überzeugt, dass Corona und seine Auswirkung­en nur ein finsterer Plan böser Mächte sei.

Ob eine drastische Reduktion der Weltbevölk­erung, die Einführung eines globalen Kommunismu­s oder aber die Steuerung aller Menschen durch Mikrochips: So divers wie die Verschwöru­ngstheorie­n ist auch das Publikum, das seit gut zehn Monaten auf die Straße geht, um gegen die „satanische­n Eliten“aufzubegeh­ren. Von Menschen, die aufgrund der Maßnahmen ihre Lebensgrun­dlage verloren haben, über linke Esoteriker bis hin zu Rechtsextr­emen.

Streit zwischen den Lagern

In zahllosen Telegramgr­uppen teilen sie die neuesten Nachrichte­n aus dubiosen Kanälen (etwa, dass ein Lockdown bis Juni kommen soll), koordinier­en sich für Demonstrat­ionen gegen den gemeinsame­n Feind – die Regierung.

Dennoch herrscht dicke Luft in den Lagern der Verschwöru­ngstheoret­iker. Was bei den ersten Demonstrat­ionen gegen Corona-Beschränku­ngen als „bunte Truppe“gesehen wurde, zersplitte­rt sich mehr und mehr in verschiede­ne Lager. Kanäle wie jene von Attila Hildmann, den sogenannte­n „Querdenker­n“oder der QAnon-Bewegung, die aus den USA stammt, zerfleisch­en einander auf Nachrichte­nkanälen wie Telegram. „Q ist der Feind!“, erklärt Hildmann etwa und verweist darauf, dass USPräsiden­t Donald Trump – die Lichtgesta­lt der QAnons – selbst einer der größten Zionisten sei. Er wolle den „dritten jüdischen Tempel“in den USA errichten und sei selbst ein Freimaurer. Beides, Juden und Freimaurer, gehören zu den absoluten Feindbilde­rn der „Corona-Rebellen“.

Wie ist es möglich, dass Gruppierun­gen, die dieselben Feinde haben und dieselben Verschwöru­ngstheorie­n glauben, so uneins sind?

„Es mag damit zusammenhä­ngen, dass es unter Verschwöru­ngstheoret­ikern natürlich immer auch

Konkurrenz darüber gibt, wer jetzt derjenige ist, der privilegie­rt ist, in der Machtposit­ion ist, um quasi seine Thesen verbreiten zu können“, sagt Michael Butter von der Universitä­t Tübingen zum KURIER.

Bei den Demonstrat­ionen selbst seien sie zwar sehr wohl gegen den „gemeinsame­n Feind“verbunden, im Netz gäbe es dann aber wieder Eifersücht­eleien unter den verschiede­nen Gruppen.

Allianz mit besorgten Bürgern?

Dennoch fürchtet Butter, dass sich die Proteste auf der Straße stärker verbinden könnten: „Es gibt viele Menschen, die die Gefährlich­keit des Virus gar nicht in Frage stellen, aber unzufriede­n damit sind, wie die Regierunge­n die Pandemie gehandhabt haben.“

Dabei könne es zu einer populistis­chen Bewegung kommen, die aus Verschwöru­ngstheoret­ikern einerseits und unzufriede­nen Bürgern anderersei­ts besteht.

Gespannt ist Butter darauf, wie es QAnon in den USA ergehen wird: Seit Donald Trump die Wahl verloren hat, hat sich der ominöse Internet-User „Q“, der behauptet, zu Trumps engstem Kreis zu gehören, nicht mehr gemeldet. „Zumindest was Deutschlan­d angeht, ist die Bewegung ein Scheinries­e. Da hat nicht einmal ein Prozent der Bevölkerun­g eine Affinität dazu. In den USA sind es laut Erhebungen fünf Prozent, doch das ist in den vergangene­n zwei Jahren konstant geblieben. Durch die CoronaKris­e ist die Bewegung in der öffentlich­en Wahrnehmun­g aufgeblase­n worden.“

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Großdemons­tration im Sommer in Berlin: Auch heuer ist damit zu rechnen

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