Warum Bausparen kein Auslaufmodell ist
Generaldirektorin Susanne Riess erklärt, warum der Einlagensicherungsmechanismus selbst mehr Kontrolle braucht, sie Frauenquoten skeptisch sieht und das Bausparen noch lange nicht ausgedient hat
VON ANITA KIEFER
KURIER: Wie hat denn die Pandemie das Kundenverhalten und das vergangene Geschäftsjahr bei Wüstenrot beeinf lusst?
Susanne Riess: Wir sind mit einem ziemlich veränderten Geschäftsmodell gut aus der Krise gekommen. Wir werden am Ende des Jahres, was die Wohnraumfinanzierung betrifft, ein Plus von 15 Prozent zum Vorjahr haben.
Wie hat sich das Kundenverhalten in der Sparte Versicherungen verändert? Wird es noch weniger Lebensversicherungen geben?
Die Transformation im Bereich Lebensversicherung hat vor der Corona-Krise begonnen. Die Krise hat hier zu keinen dramatischen Veränderungen geführt.
Werden die Menschen in der Zukunft mehr in das Thema Vorsorge investieren?
Den Trend sehen wir noch nicht. Aber das kann natürlich sein. Vorsorge bzw. Veranlagung in sichere Werte wie zum Beispiel die Immobilien sind ein ganz großes Thema. Alle, die Ersparnisse haben, schauen, dass sie jetzt eine Immobilie kaufen.
Wie sieht es beim Sparen aus? Hatten Sie Kunden, die Sparverträge wegen Liquiditätsproblemen auflösen?
Das war weniger Thema. Es gab einen Rückgang in der ersten Lockdown-Phase und danach, aber im Prinzip sind wir auf dem Niveau des Vorjahres. In Zeiten von großer Unsicherheit sparen die Menschen einfach wieder mehr. Entscheidend wird aber das Jahr 2021 sein. Wenn die Arbeitslosigkeit sehr lang anhaltend ist, wird sich das noch einmal negativ auswirken, auch auf unseren Geschäftsbereich.
Die Anzahl der per Ende September abgeschlossenen Sparverträge bei Wüstenrot haben sich von 2010 auf 2020 fast halbiert. Braucht es in der Zukunft das Bausparen überhaupt noch?
Ja. Aufs Jahr gesehen werden wir das Vorjahresergebnis erreichen. Das Bausparen wird jetzt in dieser Phase, wo die Wohnraumfinanzierung so stark nachgefragt wird, wieder zusätzlich an Bedeutung gewinnen. Das Bausparen dient ja vordringlich der Wohnraumfinanzierung, nicht dem Sparen.
Sie sitzen im Aufsichtsrat der Einlagensicherung Österreich. Der NationalbankGouverneur sieht bei diesem System einen dringlichen Reformbedarf. Sie auch?
Das ist ein äußerst schwieriges Thema. Die Diskussion über eine gemeinsame Einlagensicherung verfolge ich seit 20 Jahren. Eine Einigung war immer schwierig, auch bei der letzten Reform
(Verschlankung von fünf auf zwei Systeme, Anm.).
Ich bin nach wie vor der Meinung, dass es Sinn macht, eine gemeinsame Einlagensicherung zu haben. Ich glaube auch nicht, dass man die Causa Commerzialbank zum
Anlass nehmen sollte, das ganze System infrage zu stellen.
Aber Reformbedarf gibt es?
Natürlich gibt es Verbesserungsmöglichkeiten. Die Diskussion jetzt geht ja leider in die andere Richtung, nämlich dass es Sektoren gibt, die aus dem System wieder ausscheiden wollen. Das hielte ich für die falsche Reaktion.
Welche wäre die richtige?
Darüber wie der Einlagensicherungsmechanismus selbst mehr Kontrollmöglichkeiten bekommt.
Sie sehen Frauenquoten skeptisch. Warum?
Weil sie zur Wahrnehmung führen, dass Frauen wegen einer Quote in eine Position geholt werden. Ich konstatiere aber auch, dass eine Quote als Anstoß oft notwendig ist. So etwas hat einen Pull-Effekt. Ich würde eine Frauenquote nur nicht als Dauerlösung sehen wollen, und sie ist auch nicht für alle Bereiche sinnvoll.
Sie sind seit 2004 bei Wüstenrot. Warum sind Sie so lange geblieben?
Ich bin vor 16 Jahren in einen völlig neuen Bereich hineingegangen. Früher war das Bausparen in sich geschlossen, später kam die Versicherung dazu. Nun sind wir eine mittelgroße Finanzgruppe. Jetzt sind wir am Sprung in eine neue digitale Welt. Nachdem ich die ersten 20 Jahre meines Berufslebens mit fast täglicher Veränderung verbracht habe, war für mich sehr schön, hier einen evolutionären Prozess gestalten zu können.
Sie haben bereits klargestellt, dass es keinen Weg zurück in die Politik geben wird. Eine politische Nähe gibt es aber nach wie vor. Sie haben im Vorjahr die ÖVP im Nationalratswahlkampf unterstützt und sind mit einem ÖVP-Politiker, EUKommissar Johannes Hahn, liiert. Gibt es doch Überlegungen zu einem Comeback?
Nein. Mir war immer klar, dass es keinen zweiten Versuch geben wird. Ich kenne auch kein Beispiel, wo ein zweiter Versuch erfolgreich war. Und privat gesehen sage ich: Einer in der Politik genügt auch vollkommen. Ich bewundere, was mein Partner in der internationalen Politik leistet und genieße die Beobachterrolle.