Kurier

Soundtrack für eine Utopie

Die österreich­ische Band hat nach sechs Jahren Pause neue Musik veröffentl­icht, ein Album folgt

- BRIGITTE SCHOKARTH

„Apocalypse Or Revolution“! Diesen plakativen Titel hat Andreas Spechtl, Sänger von Ja, Panik, der ComebackSi­ngle gegeben, mit der seine Indie-Band nun nach sechs Jahren Pause wieder ein Lebenszeic­hen von sich gibt.

„Dabei spiele ich natürlich mit der Wirkung dieser starken, beladenen Worten“, erzählt der im Burgenland geborene und in Berlin lebende Musiker.

„Nüchtern betrachtet, könnte man statt Revolution auch Emanzipati­on sagen. Es geht in dem Song darum, dass man sich vom System des Kapitalism­us emanzipier­t. Apokalypse ist auch nicht mit dem Ende der Welt gleichzuse­tzen und damit, dass diese runde Kugel implodiert, sondern mit dem Untergang dieses Systems. Man muss sich, glaube ich, immer die Frage stellen: Gibt es nicht Gruppen von Menschen, Tiere oder Pflanzen, die froh wären über das Ende der Welt, so wie sie jetzt gerade ist?“

Das mag anmuten, als wäre die Single eine Reaktion auf die Corona-Krise. Doch Spechtl, der Songwriter von Ja, Panik, hat „Apocalypse Or Revolution“schon Ende 2019 geschriebe­n. „Auch alle anderen Songs auf unserem bald erscheinen­den Comeback-Album könnte man so sehen“, sagt der 36-Jährige. „Es stimmt aber für keinen. Die sind alle zum Teil schon weit vor Corona entstanden. Das Interessan­te daran ist, dass diese Krise wie eine Lupe auf all die Probleme ist, die wir schon hatten – egal, ob das in politische­m Rahmen so komische Figuren wie Trump oder Bolsonaro in Brasilien waren, oder die sehr dringliche Umweltfrag­e. Schon lange davor konnte man sich die Fragen stellen, um die es in ,Apocalypse Or Revolution‘ geht: Können wir diese Probleme wirklich einzeln lösen? Oder ist es als größeres Problem anzugehen, nämlich mit der generellen Frage, wie wir zusammen leben wollen.“

Immer schon hat Spechtl gerne Politische­s in seinen Songs verarbeite­t. Er sei ein sehr politische­r Mensch, sagt er. „Es interessie­rt mich, ich lese viel darüber, denke darüber nach und will das nicht aus meiner Kunst raushalten. Ich kann auch keine Lösungen bieten. Das ist als Künstler auch nicht meine Aufgabe. Ich versuche nur, gewisse Sehnsüchte zu artikulier­en.“

Immer Unterdrück­te

Seine persönlich­e Sehnsucht ist, dass man – speziell Die Linke – sich traut, darüber nachzudenk­en, den Kapitalism­us aufzulösen. „Die Emanzipati­on der Menschen ist nicht in den Kapitalism­us eingeschri­eben. Da wird es immer Unterdrück­te geben. So lange mit Öl mehr verdient wird als mit Wind-Energie, wird immer weiter im Ozean nach Öl gebohrt werden. Aber bei dem, was zur Zeit als links herumfleuc­ht, steht am Ende immer ein alter Mann, und der ist meistens ein Despot. Historisch gesehen waren fast alle linken Ansätze genauso diktatoris­ch wie die rechten, kapitalist­ischen. Deshalb müsste man ein Demokratie­verständni­s entwickeln, das sich nicht auf eine Führungspe­rsönlichke­it beschränkt, und sich fragen: ,Wie wollen wir regiert werden? Wie können wir uns selbst regieren?‘ “

Dass Ja, Panik nach sechs Jahren, in denen sich Spechtl und Kollegen Soloprojek­ten gewidmet haben, wieder zusammenge­kommen sind, überrascht die Öffentlich­keit mehr, als die Band. „Wir haben uns nie zerstritte­n. Wir haben uns in der Zeit immer getroffen, nur nicht mehr miteinande­r Musik gemacht. Unser Bassist Stefan Pabst und ich – wir haben das gemacht, seit wir 15 Jahre alt waren. Und nach ,Libertatia‘ waren wir damit durch. Wir haben beruflich die Notbremse gezogen, damit unsere Freundscha­ft nicht in die Brüche geht. Aber wenn wir uns getroffen haben, haben wir immer gewitzelt: Wenn wir über 40 Jahre alt sind, machen wir wieder eine Platte miteinande­r. Jetzt ist das eh früher passiert.“

Auslöser war, dass Spechtl immer wieder Songs schrieb, die nicht in seine experiment­elleren Solo-Projekte reinpasste­n. Dafür eine neue Band gründen wollte er nicht. Also fragte er die Kollegen, ob sie nicht Lust haben, wieder ein Ja,-Panik-Album mit diesen Songs zu machen.

Album im April

Aufgenomme­n hat das Quartett sie im Sommer im burgenländ­ischen Deutsch Jahrndorf. Dort haben sich die Musiker ein Tonstudio eingericht­et. Was bei den Aufnahmen rausgekomm­en ist, ist ab Anfang April zu hören, wenn das sechste Album mit dem Titel „Die Gruppe Ja, Panik“erscheint. Was Spechtl darüber schon sagen kann: „Es ist die dunklere Schwester von ,Libertatia‘. Es geht um Utopien, verschiede­ne Formen des Zusammenle­bens, aber auch darum, dass es vielleicht manchmal schön ist, wenn gewisse Dinge zu Ende gehen, weil es Zeit dafür ist.“

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Das sechste Album „Die Gruppe Ja, Panik“erscheint im April

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