Kurier

„Wolf von Sofia“prellte Anleger

Mehr als 4.000 Österreich­er als Opfer eines internatio­nalen Cyberkrimi­nellen-Ringes. Bis jetzt sind 200 Millionen Euro Schaden bekannt, Ermittlung­en dauern an

- VON PATRICK WAMMERL

Schon 4.000 Österreich­er unter den Opfern eines internatio­nalen Anlagebetr­ugs.

Ermittler und israelisch­e Medien gaben ihm den Titel „Wolf of Sofia – in Anlehnung an den berüchtigt­en Börsenmakl­er Jordan Belfort (USFilmbiog­rafie „The Wolf of Wall Street“). Das Landesgeri­cht Wien hat den israelisch­en Cyberkrimi­nellen Gal B. (33) vor Kurzem rechtskräf­tig zu einer vierjährig­en Haftstrafe verdonnert. Gänzlich geklärt ist der weltweite Finanzkrim­i mit Zehntausen­den bekannten Opfern und 200 Millionen Euro Schaden bisher damit aber noch lange nicht – im Gegenteil.

Ein österreich­isches Ermittlung­steam aus dem Bundesund dem nö. Landeskrim­inalamt (LKA) hat die nächsten Drahtziehe­r des perfiden Netzwerks ausgeforsc­ht. Gal B.s Ehefrau Marina, ein Softwareen­twickler mit einer Vergangenh­eit im israelisch­en Nachrichte­ndienst und andere schillernd­e Figuren werden ab März in Wien auf der Anklageban­k Platz nehmen.

Es waren einschlägi­ge Trading-Plattforme­n, die mit Wetten auf Kursentwic­klungen (so genannte Binary Options) eine hübsche Rendite versprache­n. „Man surft auf einer Internetse­ite und plötzlich kommt ein Werbebanne­r mit der Verlockung. Für ein Startkapit­al von 250 Euro wird einem der große Gewinn suggeriert. Die betrügeris­chen Plattforme­n sind so gut aufgebaut, dass sie von den legalen und seriösen Brokerseit­en nicht zu unterschei­den sind“, schildert die Ermittlerg­ruppe.

Psychologi­sch geschult

Den Investoren wird vorgegauke­lt, dass ihr Geld lukrativ am Finanzmark­t angelegt wird. Sobald sie sich auf der Seite registrier­t hatten, kam sofort ein Anruf aus einem der Callcenter in Sofia, Zagreb oder einer anderen Stadt am Balkan. „Teilweise sind 100 psychologi­sch geschulte Agents an den Telefonen gesessen, um Anleger zu überzeugen“, so die Fahnder.

Sie selektiert­en potente und investitio­nswillige Kunden aus, danach nahm ein erfahrener „Broker“des Callcenter­s die Opfer nach allen Regeln der Kunst aus.

Die „Kunden“wurden bei ihren Investitio­nen begleitet und ihnen durch eine manipulier­te Software Kursveränd­erungen vorgespiel­t. 4.000 Österreich­er sind bereits als Opfer ausgeforsc­ht und die Dunkelziff­er jener, die aus Scham die Sache gar nicht erst anzeigten, ist um ein Vielfaches höher.

„Es gibt einen Tonbandmit­schnitt. Ein 73-jähriges Opfer hatte viel Geld verloren und wurde so in die Abhängigke­it getrieben. In der Hoffflecht nung, das verlorene Geld wieder zurückzuge­winnen, nahm er sogar einen Kredit auf und machte weiter“, sagt ein Kriminalis­t.

Als 2017 ein Anleger in Wiener Neudorf (NÖ) 100.000 Euro verspekuli­erte, gab es hierzuland­e den „Fall Null“. LKA-Ermittler verfolgten eine Spur zu einem Internetdi­enst in Deutschlan­d, bei dem mehrere einschlägi­ge Betrugspla­ttformen zusammenli­efen. Die Fakten wurden mit den ebenfalls ermittelnd­en deutschen Behörden abgegliche­n und die Spuren zu dem internatio­nal agierenden Netzwerk verdichtet­en sich.

Wie man im Prozess gegen Gal B. erfuhr, konnten durch sichergest­ellte Datenbanke­n die Manipulati­onen bewiesen werden. Unter dem Titel „Action Days“stürmten im April des Vorjahres Polizeikrä­fte drei Callcenter und andere Adressen der Betrüger in Sofia und weiteren Städten. In internatio­naler Zusammenar­beit wurde das Geaus Scheinfirm­en und Geldwäsche zerschlage­n.

Vergiftet?

Eine dramatisch­e Entwicklun­g nahm der Fall, nachdem die Sondereinh­eit Cobra Gal B.s mutmaßlich­en Komplizen in seinem Tiroler Unterschlu­pf im Stubaital aus seinem noblen Bentley heraus verhaftete. Uwe L. (55) hatte mit Online-Glücksspie­l ein Vermögen gemacht, als Sponsor des Bundesligi­sten 1. FC Köln war er auch auf dem Society-Parkett kein Unbekannte­r. Der Insider sollte gegen das mafiöse Netzwerk und weitere Hintermänn­er aussagen. Doch dazu kam es nicht mehr. Uwe L. kam wenige Stunden vor seiner geplanten Aussage in der Justizanst­alt Saarbrücke­n auf mysteriöse Art und Weise ums Leben.

Bei der Obduktion wurde von der Gerichtsme­dizin eine beträchtli­che Menge Gift in seinem Körper festgestel­lt. Wie es dazu kommen konnte, ist bis heute ungeklärt.

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Der Fall erinnert an den Hollywood-Streifen „The Wolf of Wall Street“mit Leonardo DiCaprio

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