„Wolf von Sofia“prellte Anleger
Mehr als 4.000 Österreicher als Opfer eines internationalen Cyberkriminellen-Ringes. Bis jetzt sind 200 Millionen Euro Schaden bekannt, Ermittlungen dauern an
Schon 4.000 Österreicher unter den Opfern eines internationalen Anlagebetrugs.
Ermittler und israelische Medien gaben ihm den Titel „Wolf of Sofia – in Anlehnung an den berüchtigten Börsenmakler Jordan Belfort (USFilmbiografie „The Wolf of Wall Street“). Das Landesgericht Wien hat den israelischen Cyberkriminellen Gal B. (33) vor Kurzem rechtskräftig zu einer vierjährigen Haftstrafe verdonnert. Gänzlich geklärt ist der weltweite Finanzkrimi mit Zehntausenden bekannten Opfern und 200 Millionen Euro Schaden bisher damit aber noch lange nicht – im Gegenteil.
Ein österreichisches Ermittlungsteam aus dem Bundesund dem nö. Landeskriminalamt (LKA) hat die nächsten Drahtzieher des perfiden Netzwerks ausgeforscht. Gal B.s Ehefrau Marina, ein Softwareentwickler mit einer Vergangenheit im israelischen Nachrichtendienst und andere schillernde Figuren werden ab März in Wien auf der Anklagebank Platz nehmen.
Es waren einschlägige Trading-Plattformen, die mit Wetten auf Kursentwicklungen (so genannte Binary Options) eine hübsche Rendite versprachen. „Man surft auf einer Internetseite und plötzlich kommt ein Werbebanner mit der Verlockung. Für ein Startkapital von 250 Euro wird einem der große Gewinn suggeriert. Die betrügerischen Plattformen sind so gut aufgebaut, dass sie von den legalen und seriösen Brokerseiten nicht zu unterscheiden sind“, schildert die Ermittlergruppe.
Psychologisch geschult
Den Investoren wird vorgegaukelt, dass ihr Geld lukrativ am Finanzmarkt angelegt wird. Sobald sie sich auf der Seite registriert hatten, kam sofort ein Anruf aus einem der Callcenter in Sofia, Zagreb oder einer anderen Stadt am Balkan. „Teilweise sind 100 psychologisch geschulte Agents an den Telefonen gesessen, um Anleger zu überzeugen“, so die Fahnder.
Sie selektierten potente und investitionswillige Kunden aus, danach nahm ein erfahrener „Broker“des Callcenters die Opfer nach allen Regeln der Kunst aus.
Die „Kunden“wurden bei ihren Investitionen begleitet und ihnen durch eine manipulierte Software Kursveränderungen vorgespielt. 4.000 Österreicher sind bereits als Opfer ausgeforscht und die Dunkelziffer jener, die aus Scham die Sache gar nicht erst anzeigten, ist um ein Vielfaches höher.
„Es gibt einen Tonbandmitschnitt. Ein 73-jähriges Opfer hatte viel Geld verloren und wurde so in die Abhängigkeit getrieben. In der Hoffflecht nung, das verlorene Geld wieder zurückzugewinnen, nahm er sogar einen Kredit auf und machte weiter“, sagt ein Kriminalist.
Als 2017 ein Anleger in Wiener Neudorf (NÖ) 100.000 Euro verspekulierte, gab es hierzulande den „Fall Null“. LKA-Ermittler verfolgten eine Spur zu einem Internetdienst in Deutschland, bei dem mehrere einschlägige Betrugsplattformen zusammenliefen. Die Fakten wurden mit den ebenfalls ermittelnden deutschen Behörden abgeglichen und die Spuren zu dem international agierenden Netzwerk verdichteten sich.
Wie man im Prozess gegen Gal B. erfuhr, konnten durch sichergestellte Datenbanken die Manipulationen bewiesen werden. Unter dem Titel „Action Days“stürmten im April des Vorjahres Polizeikräfte drei Callcenter und andere Adressen der Betrüger in Sofia und weiteren Städten. In internationaler Zusammenarbeit wurde das Geaus Scheinfirmen und Geldwäsche zerschlagen.
Vergiftet?
Eine dramatische Entwicklung nahm der Fall, nachdem die Sondereinheit Cobra Gal B.s mutmaßlichen Komplizen in seinem Tiroler Unterschlupf im Stubaital aus seinem noblen Bentley heraus verhaftete. Uwe L. (55) hatte mit Online-Glücksspiel ein Vermögen gemacht, als Sponsor des Bundesligisten 1. FC Köln war er auch auf dem Society-Parkett kein Unbekannter. Der Insider sollte gegen das mafiöse Netzwerk und weitere Hintermänner aussagen. Doch dazu kam es nicht mehr. Uwe L. kam wenige Stunden vor seiner geplanten Aussage in der Justizanstalt Saarbrücken auf mysteriöse Art und Weise ums Leben.
Bei der Obduktion wurde von der Gerichtsmedizin eine beträchtliche Menge Gift in seinem Körper festgestellt. Wie es dazu kommen konnte, ist bis heute ungeklärt.