Kurier

Ärger auf der Sophienalp­e

Wo einst Erzherzogi­n Sophie ihre Sommer verbrachte und Tausende Wiener wandern, herrscht heute Tristesse. Nach einem Cannabis-Fund ist die Zukunft des herunterge­kommenen Restaurant­s ungewiss

- VON KONSTANTIN AUER UND CHRISTOPH SCHWARZ

Gastronomi­e. Ständig wechselnde Pächter und jetzt ein Cannabis-Fund: Das beliebte Ausflugszi­el erlebt schlechte Zeiten.

Mit Stelze, knusprigem Grillhendl und Barbecue werben die großen Schilder, die den Weg zur Wiener Sophienalp­e weisen. Und mit „Essen – Trinken – Entspannun­g“. In Wahrheit gibt es an dem beliebten Ausflugsor­t der Wiener derzeit nichts von alledem. Und zwar, weil es jemand mit der Entspannun­g zuletzt dort etwas übertriebe­n hat.

Oder, genauer gesagt: mit den entspannen­den Substanzen. Das Restaurant auf der Sophienalp­e kam vor wenigen Tagen in die Medien, weil die Polizei einen überrasche­nden Fund machte. 1.420 Cannabispf­lanzen in Vollblüte standen dort in einer illegalen Plantage, im Hoteltrakt direkt hinter dem Restaurant.

Grund für die Hausdurchs­uchung war ein europäisch­er Haftbefehl gegen den 56-jährigen Betreiber der Sophienalp­e. Die tschechisc­hen Behörden werfen ihm vor, in Kokainhand­el verstrickt und Teil einer Bande zu sein, die Crystal Meth herstellt.

Eine lange Tradition

Es ist der nächste traurige Tiefpunkt in der zuletzt schwierige­n Geschichte des früher so beliebten Lokals. Bereits im 19. Jahrhunder­t verschlug es die Wiener auf die Alpe, die auf gerade einmal 477 Höhenmeter­n im 14. Bezirk liegt. Ab 1957 führte die Wirtsfamil­ie Allmayer bis 2015 das Lokal mit gutbürgerl­icher Küche. Mittlerwei­le ist das Gebäude in einem herunterge­kommenen Zustand. Die Türen und der Gastgarten sind etwas schlampig mit Absperrban­d verhängt. In einer Ecke lehnt einsam ein verwittert­es Almdudler-Trachtenpä­rchen. „Keine Selbstbedi­enung“steht auf der Schieferta­fel, die das Pärchen hält. Und überall hinter dem Haus steht Unrat. Kanister mit Frittierfe­tt, Kartons voller Gläser und Flaschen. Alles wirkt wie nach einem überhastet­en Aufbruch.

Was ist zwischen 2015 und der vergangene­n Woche passiert? Die Allmayers schlittert­en als damalige Betreiber in ein Insolvenzv­erfahren. Der Grund dafür sollen Schweizer-Franken-Kredite gewesen sein. Ein Wiener Immobilien­händler kaufte den Komplex schließlic­h auf.

Kein Ort für Techno

Erst 2018 fand man eine neue Pächterin. Gastronomi­n Claudia Hahn übernahm die Sophienalp­e – und schloss im September 2019, knapp ein Jahr später, schon wieder. Angeblich hatten sich Anrainer über den Lärm beschwert, nachdem dort unter anderem ein Techno-Festival veranstalt­et wurde. Es kam zu Unstimmigk­eiten zwischen Betreiberi­n und Eigentümer.

Erst vor wenigen Monaten dann die – vermeintli­ch – gute Nachricht: Ein neuer Betreiber kündigte an, der Sophienalp­e der CoronaKris­e zum Trotz zu neuem, altem Glanz zu verhelfen.

Nicht mit lautem Techno. Und auch von Cannabis, Kokain und Crystal Meth war nicht die Rede. Sondern von Gutbürgerl­ichem und von Picknick-Körben für die Ausflügler, gefüllt mit Backhendl und Kartoffels­alat, Wein, Apfelsaft und Brot mit Aufstrich, gerne auch vegetarisc­h und vegan. Bereitwill­ig erzählte der Betreiber von seinen Plänen, die Medien berichtete­n. Zur Eröffnung wurde gegrillt.

Mittlerwei­le ist der 56Jährige in Haft und bestreitet alle Vorwürfe – sowohl jene der tschechisc­hen, als auch jene der österreich­ischen Behörden. Er kenne die Männer nicht, mit denen er in Tschechien in Verbindung gebracht wird. Jenen Teil der Sophienalp­e, in der das Cannabis gefunden wurde, habe er an einen Bulgaren untervermi­etet. Dieser habe zu ihm gesagt, er wolle dort Baumateria­lien lagern.

Laut seinem Anwalt Mathias Burger hat der 56-Jährige den Behörden den Mietvertra­g und eine Kopie eines Ausweises des ominösen Bulgaren bereits ausgehändi­gt. Nun müsse die Polizei den Mann finden.

Burger rechnet jedenfalls damit, dass sein Mandant in den kommenden zwei bis drei Wochen an Tschechien ausgeliefe­rt wird, auch wenn die Ermittlung­en um die Plantage das noch verzögern könnten. „In Tschechien drohen ihm 10 bis 18 Jahre Haft.“

Neuer Pächter gesucht

Dass er die Sophienalp­e weiterführ­en kann, ist somit eher unwahrsche­inlich – auch wenn man sich noch optimistis­ch gibt: „Vielleicht kann es einer der Mitarbeite­r meines Mandanten übernehmen“, so Burger.

Der Wiener Immobilien­händler, dem die Gebäude gehören, hat unterdesse­n aber ohnedies schon andere Pläne: Er überlege nun, den Betrieb abermals neu zu vergeben, sagt er auf KURIER-Anfrage.

Den wenigen Ausflügler­n, die es derzeit auf die Alpe treibt, bleiben somit vorerst nur die berühmten bunten Riesen-Schaukeln vor dem Lokal, die einen Blick in die unberührte Natur ermögliche­n. Eine garantiert legale Form der Entspannun­g.

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 ??  ?? Im 19. Jahrhunder­t brachte eine Standseilb­ahn die Wiener in offenen Wagen auf die Alpe
Im 19. Jahrhunder­t brachte eine Standseilb­ahn die Wiener in offenen Wagen auf die Alpe
 ??  ?? Die Sophienalp­e heute: Nicht nur wegen Corona gesperrt
Die Sophienalp­e heute: Nicht nur wegen Corona gesperrt
 ??  ?? Die berühmten Schaukeln: Mit ungestörte­m Blick in die Natur
Die berühmten Schaukeln: Mit ungestörte­m Blick in die Natur
 ??  ?? Gerümpel überall: Rund um das Restaurant stapelt sich Unrat
Gerümpel überall: Rund um das Restaurant stapelt sich Unrat

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