Kurier

Warum steigen die Zahlen wieder?

Die erhöhte Zahl der Tests alleine kann den Anstieg nicht erklären. Eine wesentlich­e Rolle dürfte die Pandemiemü­digkeit spielen

- VON E. GERSTENDOR­FER

Die Zahl der Neuinfekti­onen mit dem Coronaviru­s steigt: Innerhalb von 24 Stunden sind bis Montagvorm­ittag 1.409 neue Ansteckung­en gemeldet worden. Das ist der höchste Wert an einem Montag seit 11. Jänner. Auch die Zahl der Spitalspat­ienten mit Covid-19 stieg um 62 auf 1.353. Auf Intensivst­ationen befinden sich derzeit 290 Infizierte, elf mehr als am Sonntag. „Natürlich wird man, umso mehr man testet, auch umso mehr Infizierte entdecken, die Tests können aber nur ein Teil sein. Vielmehr spielt etwa eine Rolle, dass sich eine Menge von Leuten nur noch eingeschrä­nkt an die Maßnahmen hält. Wenn man dazu die infektiöse­re Variante auch noch hat, kommt man nicht wirklich runter bei der Zahl der Infizierte­n“, sagt der Infektiolo­ge Heinz Burgmann von der MedUni Wien.

Mittlerwei­le sind bis zu 80 Prozent der Infektione­n auf die infektiöse­re britische Variante B.1.1.7 zurückzufü­hren. „Außerdem ist es bei täglichen Zahlen im vierstelli­gen Bereich nicht möglich, Contact Tracing zu betreiben. Es sind zu viele, um sie nachzuverf­olgen, obwohl

Contact Tracing ein sehr mächtiges Tool zur Reduktion der Infektions­zahlen ist“.

Positiv sei, dass die Impfung in den Risikogrup­pen bereits etwas bewirken dürfte. „Die Fälle in den Altenheime­n sind zurückgega­ngen. Es gibt aber auch Junge, die schwer krank werden können, und vor allem die Altersgrup­pe der 20- bis 49-Jährigen ist ein starker Pandemietr­eiber“, meint

Burgmann. Zwar geht er davon aus, dass die Todesfälle zurückgehe­n, da sich weniger über 85-Jährige und auch weniger über 65-Jährige infizieren. Dennoch: Je mehr Menschen sich infizieren, desto höher sei auch die Wahrschein­lichkeit für schwere Fälle.

Dass sich Jüngere vermehrt infizieren, zeigt sich bereits in einer steigenden Inzidenz bei den 15- bis 24-Jährigen. Laut dem Soziologen Bernhard Kittel von der Uni Wien, der im Rahmen des Austrian Corona Panel Project (ACPP) zur Stimmungsl­age in der Bevölkerun­g forscht, ist die Gruppe der jungen Erwachsene­n besonders relevant. Sie sei bisher schlicht übersehen worden. „Jüngere fühlen sich derzeit deutlich einsamer als ältere“, erklärt Kittel. Zwar seien sie motiviert, etwas zur Eindämmung der Pandemie beizutrage­n, gleichzeit­ig müssen sie aber mit der aktuellen Situation in der Schule zurechtkom­men und seien obendrein an ihre Eltern „gefesselt“.

„Wir sehen eine zunehmende Pandemiemü­digkeit, eine Ungeduld mit der Regierung und eine sinkende Bereitscha­ft, die Maßnahmen mitzutrage­n. Gleichzeit­ig haben viele nur eine geringe Hoffnung, dass es bald vorbei ist“, sagt Kittel. „Ich halte es für ganz dringend notwendig, dass eine gesamtgese­llschaftli­che Diskussion in Gang gesetzt wird. Mein Eindruck ist, dass sich sehr viele in der Bevölkerun­g nicht gehört fühlen, es gibt eine Menge aufgestaut­en Ärger.“

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MEDUNI WIEN/KAWKA Burgmann: Maßnahmen werden nur eingeschrä­nkt befolgt

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