Kurier

Die Türkisen vermissen ihren Generalsek­retär

Länder fordern einen Mann fürs Grobe, der Kurz den Rücken freihält

- VON IDA METZGER UND MARTIN GEBHART

Zur türkisen Offensive gegen die Justiz haben sich schon viele ÖVP-Politiker zu Wort gemeldet. Nur eine prominente Stimme fehlt. Es ist ausgerechn­et jene des ÖVP-Generalsek­retärs Axel Melchior.

Gerade eine so heikle Mission gilt als Paraderoll­e für einen Generalsek­retär. Er ist innerparte­ilich der Mann fürs Grobe, kann sich mehr erlauben als ein Kanzler. Er darf zuspitzen, vereinfach­en, provoziere­n – das sind seine Aufgaben. Doch gerade dieser Stil liegt Melchior nicht.

Das führte zu dem umstritten­en Momentum, dass Kanzler Sebastian Kurz selbst als Scharfmach­er auftrat, und der WKStA „zahlreiche Verfehlung­en“vorwarf sowie „dringenden Änderungsb­edarf“ortete. „Wenn der Bundeskanz­ler gegen die unabhängig­e Justiz ausreitet, dann ist das eine zwingende Einladung für parteilose Experten, sich vor die Justiz zu stellen“, so Politik-Insider Thomas Hofer.

Unmut in den Ländern

Melchiors beharrlich­e Weigerung, in der Öffentlich­keit die Speerspitz­e der Partei zu spielen, sorgt vor allem in den mächtigen türkisen Ländern für Unmut. Sie halten diese innerparte­iliche Aufstellun­g für einen Fehler. Vor allem auch, weil Kurz im Wahlkampf mit dem Slogan antrat, für einen neuen PolitStil zu stehen. „Da darf der Kanzler dann nicht die Kavallerie spielen. Das hinterläss­t Flurschäde­n“, so ein namhafter Landespoli­tiker.

Melchior, einer der engsten Vertrauten von Kurz, sei ein guter Organisato­r, habe viele Wahlkämpfe für die Türkisen erfolgreic­h geschlagen, heißt es innerhalb der Partei, aber in so schwierige­n Zeiten (Corona-Krise, Ibiza-U-Ausschuss, Konflikt mit Justiz etc.) wäre ein Generalsek­retär, der verbal auch Rundumschl­äge austeilt, mehr als notwendig. Gaby Schwarz sei zwar bemüht, aber nicht in der Position der Nummer eins im Generalsek­retariat.

„Kann nur einen geben“

Hinter vorgehalte­ner Hand wird bereits darauf gedrängt, die Position des Generalsek­retärs neu zu besetzen. „Auch wenn die Kritik nur hinter den Kulissen geäußert wird, aber die Länder haben recht“, analysiert auch Politik-Experte Hofer. In der ÖVP gelte das „Highlander-Prinzip“, sagt Hofer. Das da lautet: „Es kann nur einen geben“.

Das Erfolgsmod­ell des alles überstrahl­enden Einzelspie­lers Sebastian Kurz entpuppt sich in der Krise als Manko, denn Kurz fehlt eindeutig ein „Flügelspie­ler“, der ihm eine „Pufferzone“verschafft, meint Hofer. Erstmals vermisst wurde dieser

Entlastung­sspieler für den Kanzler bei den Angriffen auf Verteidigu­ngsministe­rin Klaudia Tanner im Vorjahr, als die Umbaupläne für das Bundesheer bekannt wurden. Den notwendige­n Konter gegen die Opposition muss oftmals ÖVP-Klubchef August Wöginger ausführen oder eben der Kanzler selber. „Die Debatte wird aber hochemotio­nal, wenn es auf Kanzlerebe­ne eskaliert. Das sollte vermieden werden“, so Hofer. Als Wolfgang Sobotka als U-Ausschuss-Vorsitzend­er dem Dauerbesch­uss von SPÖ und Neos ausgesetzt war, hörte man kein Wort der Verteidigu­ng aus der Parteizent­rale. Schlussend­lich rückte die NÖ-Landespart­ei aus.

Apropos Sobotka: Er wollte bei der Regierungs­bildung 2017 Generalsek­retär werden. Doch viele, auch Kurz, redeten ihm diese Rolle aus. Jetzt wäre der streitbare Parlaments­chef wahrschein­lich die Idealbeset­zung für den Job.

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