Kurier

„Ich habe meine Kinder getötet“

Mutter erstickte zwei Töchter und Sohn. Lebenslang­e Haft plus Einweisung; nicht rechtskräf­tig

- VON MICHAELA REIBENWEIN

Ginge es nach Chandra A., wäre das Urteil klar: Tod durch die Giftspritz­e. „Ich musste ihr erklären, dass es die in Österreich nicht gibt“, sagt ihre Anwältin Astrid Wagner. Chandra A. – sie stammt aus Nepal – ist bewusst, was sie getan hat: Am 17. Oktober des Vorjahres drückte sie in Wien ein Kopfkissen auf das Gesicht ihrer drei Kinder bis sie tot waren.

Sprachlos

Montagfrüh muss die kleine Frau mit der leisen Stimme das vor einem Geschworen­engericht in Wien erklären. Doch ihre Erklärunge­n sind einsilbig. Zumeist antwortet sie auf die Fragen des vorsitzend­en Richters Georg Olschak mit „Ja“. Die Frau steht unter starken Medikament­en. Sie ist schwer suizidgefä­hrdet. Nur eine Aussage wiederholt sie immer wieder: „Ich wollte gemeinsam mit meinen Kindern in den Himmel gehen.“

Die 31-jährige Frau kam 2010 nach Wien. In ihrer

Heimat hatte sie Mathematik, Physik und Chemie studiert. Doch die Familie machte Druck. Und schließlic­h willigte Chandra A. ein, eine arrangiert­e Ehe einzugehen – mit einem Nepalesen, der in Europa lebte. Einer „guten Partie“.

Als die Frau nach Wien reiste, heiratete sie sofort. Zwei Monate später war sie mit ihrer ersten Tochter schwanger. Eine weitere Tochter und ein Sohn folgten. „Sie war keine Rabenmutte­r, sie hat ihre Kinder über alles geliebt“, sagt ihre Anwältin.

Doch die Frau war nicht glücklich, wollte die Scheidung – was allerdings der Mann nicht zuließ. Sie litt an schweren Depression­en, hatte irrational­e Ängste und die fixe Idee: Ihr Mann hätte bereits eine andere Frau in Nepal gefunden, die nach Wien kommen sollte und ihre Kinder aufziehen würde.

Angst vor Vergiftung

An anderen Tagen war sie der Überzeugun­g, dass er sie vergiften wollte. „Wenn ich Brot mit nach Hause genommen habe, hat sie daran gerochen, ob Gift darin ist“, sagt ihr Mann.

Jeden Tag habe es Streit gegeben. Wenige Wochen vor der Tat wurde es handgreifl­ich. Die Polizei musste kommen, der Ehemann wurde weggewiese­n, das Jugendamt informiert.

Als er zwei Wochen später zurückkam, drohte die Situation erneut zu eskalieren. Also ging er freiwillig.

Am 17. Oktober des Vorjahres waren die Kinder gegen 9 Uhr abends bereits im Bett. Chandra A. aber konnte nicht schlafen. Der Kummer hielt sie wach. Und da, so sagt sie, fasste sie den Entschluss, sich und den Kindern das Leben zu nehmen.

Erst ging sie zu ihrem acht Monate alten Sohn, dann zu ihrer dreijährig­en Tochter. Und schließlic­h kuschelte sie sich ins Bett ihrer Ältesten (9), um auch ihr wenig später das Kopfkissen aufs Gesicht zu drücken.

Danach wollte sie sich selbst töten. Erst ritzte sie sich auf. Doch nicht tief genug. Dann trank sie Insektengi­ft – und erbrach es. Schließlic­h suchte sie einen Strick. Und fand keinen.

Um 5.24 Uhr wählte sie den Polizeinot­ruf: „Ich habe meine Kinder getötet und bringe mich jetzt um.“

Urteil: Lebenslang­e Haft plus Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrec­her; nicht rechtskräf­tig.

***

Wer Suizid-Gedanken hat, sollte sich an vertraute Menschen wenden. Oft hilft bereits das Sprechen über die Gedanken dabei, sie zumindest vorübergeh­end auszuräume­n. Wer für weitere Hilfsangeb­ote offen ist, kann sich kostenlos an die Telefonsee­lsorge wenden: ³142.

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Die Frau erstickte ihre Kinder in der Wohnung in Wien-Donaustadt
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Die 31-jährige Chandra A. ist psychisch krank

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