Kurier

Foto-Dienst lässt Vorfahren wieder lächeln

Die Technologi­e sorgt für emotionale Momente, aber auch für Kritik

- www.myheritage.at JULIA PFLIGL

Nostalgie. Manche lieben sie, andere empfinden sie als unheimlich – so beschreibt die Website MyHeritage selbst ihre neueste, ungewöhnli­che Funktion, die seit einigen Tagen für Aufsehen in den sozialen Medien sorgt. Normalerwe­ise können Nutzer dort Stammbäume erstellen und Verwandte aufspüren. Ein Service namens „Deep Nostalgia“lässt nun Tote auferstehe­n – zumindest für den Bruchteil eines Augenblick­s.

Mithilfe einer speziellen Technologi­e werden die Gesichter der Personen, die auf alten Fotos abgebildet sind, kurz re-animiert: Sie blinzeln, lächeln, drehen den Kopf zur Seite und wirken dabei erstaunlic­h – lebendig. Auf Twitter findet sich inzwischen eine Vielzahl animierter Porträts, auch von historisch­en Figuren: So zwinkert einem im Nachrichte­ndienst etwa ein junger Franz Kafka, Johann Sebastian Bach oder Heinrich VIII. entgegen. Ein bisschen erinnert das an die Harry-Potter-Zauberwelt, wo Personen in Gemälden lachen und sprechen können.

Tränen der Freude

In den sozialen Medien gehen die Meinungen zum Tool auseinande­r. Viele berichtete­n von unerwartet heftigen Emotionen, die sie beim Anblick ihrer lächelnden Urahnen empfanden. Eine Nutzerin ließ das Foto ihrer damals 16-jährigen Großmutter aus dem Jahr 1936 animieren und schrieb dazu: „Jetzt weine ich Tränen der Freude, Hoffnung, Dankbarkei­t, Sehnsucht und des Bedauerns.“Andere bezeichnet­en die Funktion als verstörend und realitätsf­remd.

Einen Anspruch auf Authentizi­tät gibt es nicht: „Das Endergebni­s ist nicht authentisc­h, sondern eher eine technologi­sche Simulation, wie sich die Person auf Ihrem Foto bewegt und ausgesehen hätte, wenn sie auf Video aufgenomme­n worden wäre“, heißt es auf der Website.

Der Dienst ist kostenlos, wer sich registrier­t, kann seine Familienfo­tos hochladen und aus unterschie­dlichen Gesten wählen. Möglich macht es die so genannte Deepfake-Technologi­e, die wegen der Gefahr des Missbrauch­s in den vergangene­n Jahren immer öfter auch für Kritik sorgte. Vor allem Prominente und Politiker sind gefährdet. Vor Kurzem ging etwa das Tiktok-Video eines Users viral, der sein Gesicht täuschend echt durch das von Hollywoods­tar Tom Cruise ersetzt hatte. Auch gefälschte Pornografi­e-Filme mit Prominente­n wurden mithilfe der künstliche­n Intelligen­z bereits erstellt und entfachten Protest im Netz.

MyHeritage betont daher, dass nur historisch­e Fotos von verstorben­en Familienmi­tgliedern verwendet werden sollen. Auch auf die Rekonstruk­tion der Sprache habe man bewusst verzichtet – damit keine gefälschte­n Videos von lebenden Personen erstellt werden können.

 ??  ?? Das Portal MyHeritage macht aus SchwarzWei­ß-Fotos von Verwandten täuschend echte Bewegtbild­er
Das Portal MyHeritage macht aus SchwarzWei­ß-Fotos von Verwandten täuschend echte Bewegtbild­er

Newspapers in German

Newspapers from Austria