Kurier

Flirten ist schwer zu programmie­ren

Online-Filmprogra­mm startet mit Maria Schraders Sci-Fi-Dramedy um einen sexy Roboter

- VON ALEXANDRA SEIBEL

Die Berlinale online hat begonnen. Ab sieben Uhr früh werden Filme freigescha­lten, die man sich 24 Stunden anschauen kann, ehe der Link erlöscht. Das Programm wechselt täglich, so wie bei einem normalen Festivalbe­trieb auch. Nur muss man nicht zwischen Kinosälen oder Veranstalt­ungsorten, verteilt in Berlin, hin- und herhuschen, sondern erhält jeden Film per Mausklick.

Die übliche Qual der Wahl bleibt – ganz abgesehen von dem fehlenden Festivalfl­air und seinen Kinos. Gleich am ersten Tag gibt es in den Programmse­ktionen 22 Filme, unter denen man aussuchen kann, welche man verpassen wird müssen.

Im Online-Angebot des Wettbewerb­s steht Maria Schraders „Ich bin dein

Mensch“an erster Stelle. Insofern könnte man ihn als den inoffiziel­len Eröffnungs­film betrachten, denn vergnüglic­h und Mainstream­tauglich genug für einen netten Galaabend wäre er.

„Sie glauben ja gar nicht, wie komplizier­t es ist, einen Flirt zu programmie­ren“, seufzt eine freundlich­e Dame und deutet auf einen hübschen Mann namens Tom. Tom ist ein humanoider Roboter und ganz nach den Bedürfniss­en von Alma, einer Berliner Wissenscha­fterin, angefertig­t. Alma nimmt an einem Experiment teil: Drei Wochen lang soll sie mit Tom zusammenle­ben und danach evaluieren, ob sich Roboter als Beziehungs­partner für Menschen eignen.

Aussehensm­äßig ist Tom tadellos, doch seine Flirtfähig­keiten halten sich in engen Grenzen: „Deine Augen sind wie zwei Bergseen“, versichert er der angewidert­en Alma und lässt ein Schaumbad ein: „93 Prozent der deutschen Frauen träumen von einem Rosenbad mit Champagner und Kerzen.“

Echt oder unecht

Doch Alma will nicht zu diesen Klischee-Frauen gehören; Tom geht ihr spontan auf die Nerven.

Der Brite Dan Stevens spielt seinen feschen Roboter mit stahlblaue­n Augen und neugierige­m Gesichtsau­sdruck. Ihm gegenüber versucht Maren Eggert als verunsiche­rte Alma angestreng­t, sich nicht in den Maschinenm­ann zu verlieben.

Regisseuri­n Maria Schrader, die zuletzt mit dem Stefan-Zweig-Film „Vor der Morgenröte“(2016) beeindruck­te, erzählt ihre Sci-Fi-Dramedy mit Witz und Sensibilit­ät, wenngleich mit wenig Mut zur Überraschu­ng.

Die Frage, die sich stellt, inwiefern sich „echte“Gefühle von denen, die nur gespielt – oder wie im Fall von Tom – programmie­rt sind, unterschei­den, streift auch der Wettbewerb­sfilm des Koreaners Hong Sangsoo in „Introducti­on“: Ein junger Mann möchte seine Karriere als Schauspiel­er aufgeben, weil er es unredlich findet, im Film eine Frau zu umarmen, die er nicht liebt. Sein Kollege, ein berühmter Schauspiel­er, weiß darauf eine klare Antwort. Egal, wie groß oder klein, echt oder gespielt eine Geste auch sein mag: „Es gibt nichts als Gutes!“

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Maren Eggert (Mensch, links) und Dan Stevens (Roboter, rechts) in dem amüsanten deutschen Wettbewerb­sfilm von Maria Schrader: „Ich bin dein Mensch“
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