Wie die Freude an den Spielen verloren ging
Olympia wird unter strengsten Sicherheitsmaßnahmen stattfinden. Die Einschnitte für die Sportler sind enorm
Mit aller Macht will Tokio die Olympischen Spiele im Sommer doch noch durchziehen. Das gefällt dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC), den Sponsoren sowie den meisten Athleten, die sich jahrelang auf den Höhepunkt ihres Sportlerlebens vorbereitet haben.
„Einzig aus Athletensicht ist es richtig und zwingend notwendig, die Spiele durchzuführen“, sagte gestern der gebürtige Österreicher Matthias Steiner (38), der 2008 Gewichtheber-Gold für Deutschland holte. „Mancher Athlet hört auf, andere sind in der Form ihres Lebens. Das darf man nicht wegwerfen.“
Im Vorjahr mussten die Organisatoren noch vor der Corona-Pandemie kapitulieren. Mit einem Jahr Verspätung soll „Tokyo 2020“nun in exakt 100 Tagen ab 23. Juli bis 8. August 2021 durchgepeitscht werden. Obwohl ...
• die Skepsis in der Bevölkerung groß ist, bereits 72 Prozent der Japaner sind gegen eine Austragung;
• in Japan das Impfen sehr schleppend vorangeht. Nur 0,4 Prozent der Bevölkerung sind vollständig geimpft;
• die Corona-Lage weltweit auch im Sommer noch nicht unter Kontrolle sein wird. Für den Großraum Tokio wurde erst Mitte März ein zweimonatiger Notstand aufgehoben. Seitdem steigt die Zahl der Neuinfektionen wieder an.
Viele Konzepte
Doch mit einem noch nie dagewesenen Sicherheitskonzept soll das Mega-Event über die Bühne gehen, schön zurechtgemacht für die weltweiten TV-Übertragungen.
Zu den üblichen Sicherheitsvorkehrungen bei Olympia, die spätestens seit 9/11 Usus sind, kommen in Tokio nun noch viel schwerwiegendere Maßnahmen dazu. So ist schon seit Ende März fix, dass ausländische Zuschauer nicht zugelassen werden. 600.000 bereits gekaufte Tickets sollen rückerstattet werden. Die Millionen-Einbußen bei den Ticket- und Tourismuseinnahmen schmerzen die Veranstalter. Ob einheimische Fans zugelassen werden, ist immer noch offen.
Die Spiele in Tokio hätten zu einem Beweis für den Sieg gegen das Coronavirus werden sollen. Tatsächlich drohen sie zum seelenlosen TVEreignis zu werden. Von einem olympischen Sportfest als Stätte der Begegnung bleibt nichts übrig.
Insgesamt werden rund 60.000 Personen zu Olympia einreisen, 11.000 olympische und 4.000 paralympische Athleten, ihre Trainer und Betreuer, sowie eine stark begrenzte Anzahl an Gästen und Medienleuten. Ihre riesige Olympia-Bubble dürfen diese Personen während des Aufenthaltes nie verlassen. In Handbüchern werden die Verhaltensregeln bis ins letzte Detail erklärt. Die Büchlein sind liebevoll gestaltet, doch der Inhalt ist beinhart.
Keine Kontakte
Der Kontakt zur einheimischen Bevölkerung ist bis auf ganz wenige Ausnahmen verboten, ebenso das Benützen öffentlicher Verkehrsmittel oder der Besuch von Restaurants. Jeder Teilnehmer muss für die ersten zwei Wochen in Japan (also fast für den gesamten Aufenthalt) im Voraus angeben, wann er sich wo befinden wird. Konkret wird sich das Leben aller Olympia-Besucher somit nur zwischen Hotel, Shuttlebus oder Sportstätte abspielen.