Kurier

Zum Glück hat die EMA ihren Sitz nicht in Wien

Politische­s Kleingeld schadet dem Standort für internatio­nale Organisati­onen

- STEFAN BROCZA

Im Vorfeld des Februar-Gipfels der EU war es wieder einmal so weit: Bundeskanz­ler Sebastian Kurz forderte von der Europäisch­en Arzneimitt­elbehörde (EMA), Covid-Impfstoffe gefälligst schneller zuzulassen und wiederholt­e damit frühere Aussagen, wonach die EMA zu langsam und zu schwerfäll­ig arbeiten würde.

Assistiert von Verteidigu­ngsministe­rin Klaudia Tanner, die die EMA als „Verzögerer“und nicht als „Ermögliche­r“titulierte, sowie vom Außenminis­ter Alexander Schallenbe­rg.

Dieser desavouier­te den von den EU-Mitgliedst­aaten gemeinsam vereinbart­en Prozess zur beschleuni­gten Zulassung von Impfstoffe­n. Plötzlich sei es „unverständ­lich, warum es in der EU dermaßen lange dauert“.

Die in Amsterdam ansässige EMA müsse hier gefälligst schneller handeln. „Die Datengrund­lage für die Entscheidu­ng müsste längst gegeben sein“, meinte Schallenbe­rg.

Dass diese wiederholt­e Kritik objektiv ungerechtf­ertigt ist, zeigt allein ein Blick auf die tatsächlic­he Verfahrens­dauer: Der Impfstoff von Biontech erhielt seine Zulassung drei Wochen nach Antragstel­lung, Moderna nach fünfeinhal­b Wochen und der von Astra Zeneca gar bereits nach zweieinhal­b Wochen. Woher die Juristen Tanner und Schallenbe­rg sowie der Maturant Kurz ihre fachliche Kompetenz zur Kritik an der Arbeit von Pharmakolo­gen und Medizinern in der EMA nehmen, wird beflissent­lich nicht thematisie­rt.

Kritik für irgendetwa­s

Es reicht offensicht­lich wieder einmal, „die in der EU“für irgendetwa­s zu kritisiere­n. Im Jahr 2017 hat der damalige Außenminis­ter Kurz noch jeden möglichen Hebel in Bewegung gesetzt, um die europäisch­e Arzneimitt­elagentur von London nach Wien umzusiedel­n. Zu groß waren die Begehrlich­keiten, diese prestigetr­ächtige Einrichtun­g nach Österreich zu bekommen.

Wie sich jetzt zum Glück herausstel­lt, wurde die EMA nach Amsterdam vergeben. Denn mit Grauen stellt man sich vor, was passiert wäre, wenn die EMA stattdesse­n nach Wien gekommen wäre: Nationale Politpöbel­eien gegen eine unabhängig­e Zulassungs­behörde und ein Außenminis­ter, der nicht nur den deutschen Botschafte­r, sondern vielleicht dann auch gleich den EMAChef an einem Sonntag im Außenminis­terium antanzen hätte lassen zwecks medienwirk­samer Politkopfw­äsche.

Völlig unverständ­lich wird die anhaltende EMA-Kritik angesichts der gleichzeit­ig massiven Bemühungen der Bundesregi­erung, mittels eines neuen Amtssitzge­setzes Österreich beziehungs­weise Wien als Sitz internatio­naler Organisati­onen und Ort für internatio­nale Konferenze­n und Verhandlun­gen zu stärken.

Diplomatie ist ein sensibles Geschäft. Internatio­nale Organisati­onen werden es sich jedenfalls dreimal überlegen, nach Österreich zu kommen, wenn sie sehen, dass Kanzler und Minister ihre Arbeit öffentlich massiv kritisiere­n, nur um schnell einmal innenpolit­isches Kleingeld zu machen.

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Stefan Brocza ist Experte für Europarech­t und internatio­nale Beziehunge­n. Er ist Berater und Publizist.

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Die europäisch­e Arzneimitt­elbehörde EMA hat ihren Sitz in Amsterdam
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