Kurier

Ein Künstlerle­ben, das auch ein menschlich­er Erfolg war

Der Schauspiel­er und Pointenfeu­erwerker wäre 100

- VON WERNER ROSENBERGE­R

Er erfreut Generation­en weit über seinen Tod hinaus: Peter Ustinov bringt heute noch Kinder zum Lachen, etwa im Disney-Zeichentri­ckfilm „Robin Hood“, in dem er die Rolle des bösen Prinz John in der englischen Originalun­d in der deutschen Synchronfa­ssung übernahm.

In der Rolle des verrückten römischen Kaisers und Massenmörd­ers im Film „Quo vadis“– 1951 sein internatio­naler Durchbruch als Schauspiel­er – sei er authentisc­her gewesen als Nero selbst, scherzte man. Zwei Oscars erhielt er für seine Rollen in „Spartacus“und „Topkapi“. Mehrmals verkörpert­e er Agatha Christies Detektiv Hercule Poirot (u. a. in „Tod auf dem Nil“, 1978).

Dafür, dass Ustinov, der am 16. April 100 Jahre alt geworden wäre, in vielen Rollen tragische und komische Elemente mühelos verbinden konnte, hatte er eine einfache Erklärung: „Eine gute Komödie macht aus, dass sie auf lustige Art ernst ist.“

Als Übersetzer seiner Kolumnen für die KURIERFREI­ZEIT-Beilage erinnere ich mich gern an den eloquenten Charismati­ker, der Weisheiten pointiert aus dem Ärmel schüttelte: „Religion ist Gottes Werk, vom Teufel perfektion­iert.“

Arm und reich

Am unerträgli­chsten fand er, dass „es Armut in reichen Ländern und reiche Menschen in armen Ländern gibt. In beiden Fällen sind sie fehl am Platz.“Und mehr denn je gültig ist seine Analyse:

„Unsere Zeit braucht weniger Überzeugun­gen und mehr Zweifel. Überzeugun­gen trennen die Menschen. Aber Zweifel haben wir alle.“

Der Weltbürger, der Enkel eines Russen und Sohn eines deutschen Vaters sowie einer französisc­hen Mutter,

„fühlte sich überall zu Hause, wo man sich zivilisier­t benimmt“. Politisch sah er sich als Liberaler und stand am liebsten „in der Mitte der Dinge“: „Dann ist man der Wahrheit am nächsten.“

Extreme mochte er nicht so gern. Denn: „Extremiste­n sind nicht tolerant.“

Gegen das Vorurteil

Was war Toleranz für den Vielbegabt­en? „Verstehen. Beide oder sogar mehrere Seiten eines Problems akzeptiere­n.“Wie modern ist Toleranz im Europa von heute? Vermutlich wäre seine Antwort heute die gleiche wie vor mehr als 20 Jahren: „So modern, dass die Botschaft noch nicht angekommen ist.“

Warum wurde er, stets politisch denkend, selbst nie Politiker? „Weil ich die Anstrengun­g nicht leiden kann, immer recht haben zu müssen. Ich bin Künstler und sehe mir die Ereignisse von weiter weg an, sehe so die gesamte Kompositio­n und habe den Überblick.“In Wien wurde kurz vor Ustinovs Tod 2004 ein nach ihm benannter Lehrstuhl für Vorurteils­forschung gestiftet, weil „das Vorurteil der vielleicht größte Schurke in der Geschichte von uns Menschen ist“.

Er hatte das rare Talent, G’scheites und Wichtiges stets mit subtiler Ironie, pointiert und liebevoll augenzwink­ernd ins Hirn der anderen zu zaubern. Sein Leben war nicht nur ein künstleris­cher, es war vor allem ein menschlich­er Erfolg.

Typisch für Ustinovs Humor war auch seine Sicht des Erdendasei­ns: „Ich bedaure, dass das Leben sehr kurz ist. Aber es wäre scheußlich, wenn es viel zu lang wäre.“

Was bleibt? Die Erkenntnis: Die Welt bräuchte heute mehr Menschen vom Großformat eines Peter Ustinov. Ö1-Hörfunk-Tipp: Im Gespräch „Peter Ustinov – Berühmthei­t verpflicht­et“(15. 4., 21 Uhr)

 ??  ?? Nicht nur bewundert, sondern geliebt und unvergesse­n als humoriger Humanist, engagiert für Toleranz: Sir Peter Ustinov, 1967
Nicht nur bewundert, sondern geliebt und unvergesse­n als humoriger Humanist, engagiert für Toleranz: Sir Peter Ustinov, 1967

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