Kurier

Die Szene-Köchin und die Krise

Die Szene-Gastronomi­n spricht über Corona und die geplante Wiener Markthalle. Und: Sie verrät, wie ihr „Tel Aviv Beach“künftig heißt. Unter dem Namen „NENI am Wasser“will sie dort ein neues Konzept umsetzen

- VON CHRISTOPH SCHWARZ

Interview. Haya Molcho spricht über Corona und ihre Pläne für den „Tel Aviv Beach“: Bald heißt die Bar „NENI am Wasser“.

Die viel gereiste Szene-Köchin Haya Molcho ist österreich­weit für ihre Kochbücher und ihre orientalis­che Lebensmitt­el-Linie „NENI“bekannt. In Wien kennt man sie für die Strandbar „Tel Aviv Beach“am Donaukanal – die bald nicht mehr so heißen wird! – und das Restaurant „NENI am Naschmarkt“, wo man neuerdings für den jüngsten GastroTren­d „Smashed Burger“ansteht.

KURIER: Seit mehr als einem Jahr leidet die Gastro-Szene unter der Krise. Können Sie der Zeit dennoch etwas Positives abgewinnen?

Haya Molcho: Wir haben in der Pandemie als Familie viele Phasen durchlebt. Am Anfang haben wir sie nicht wirklich ernst genommen. Meine Kinder sind wieder daheim eingezogen und wir wollten drei Wochen lang Urlaub machen und entspannen – und dachten uns, danach geht es normal weiter. Dann, als die ersten Menschen im Bekanntenk­reis krank wurden, haben wir gemerkt, dass es ernst ist. Da gab es zwei Möglichkei­ten: den Kopf hängen lassen oder Dinge verwirklic­hen, für die wir zuletzt keine Zeit hatten.

Sie haben sich für die zweite Variante entschiede­n.

Wir haben das neue Kochbuch „Wien by NENI“komplett in der Corona-Zeit fertiggest­ellt. Einer meiner Köche und ich haben alle Rezepte gemeinsam in Videokonfe­renzen kreiert, während jeder von uns zu Hause bei sich gekocht hat. Wir haben die Zeit also gut genutzt. Das ist eine Sache, die uns Corona gelehrt hat: Man muss schnell reagieren. Das gilt für die Staaten – Israel etwa hat rasch zu impfen begonnen, das gilt heute als beispielha­ft für die Welt –, aber auch für uns selbst.

Wie sind Sie finanziell durch die Krise gekommen? Unsere Mitarbeite­r sind in Kurzarbeit, wir mussten keinen kündigen. Unser größtes Glück ist, dass wir auch für Supermärkt­e produziere­n. Das hat uns über Wasser gehalten. Ich weiß, dass wir privilegie­rt sind im Vergleich zu anderen Gastronome­n.

Viele Menschen haben die Krise genutzt, um zu Hause zu kochen, sich mehr mit Kulinarik zu beschäftig­en, mehr auf regionale und gesunde Ernährung zu achten. Nur ein kurzer Trend – oder bleibt das?

Die Krise dauert schon so lange, da hat sich bei den Menschen nachhaltig ein Bewusstsei­n für solche Dinge entwickelt. Die Menschen kochen jetzt wieder mehr zu Hause, das merken wir auch an unseren Produkten in den Supermärkt­en. Kunden greifen weniger oft zu den schnellen Fertig-Snacks – die bereiten sie jetzt lieber daheim zu. Wir haben zuletzt auch zwei Mal pro Woche Video-Sessions mit unserer Community gemacht und digital zusammen gekocht. Das war toll.

Hat auch das Take-away-Geschäft Zukunft?

Die Qualität kann nie so gut sein wie bei frisch gekochtem Essen. Aber auch wir haben experiment­iert. Zuletzt mit dem „Smashed Burger“, den mein Sohn umgesetzt hat. Dafür stehen die Menschen Schlange. Wir merken, dass die Menschen die Gastro jetzt stark unterstütz­en. Ohne Lokale macht nichts Freude. Das soziale Leben leidet. Niemand geht in die Stadt einkaufen, wenn Lokale nicht geöffnet haben. Da bestellen die Menschen lieber auf Amazon. Auch auf den Märkten merkt man, dass die Gastronomi­e fehlt. Die sind leider leerer.

Was macht denn einen richtig guten Markt aus?

Regionale Produkte, wie es sie auf dem Bio-Bauernmark­t gibt, der jeden Samstag am Wiener Naschmarkt stattfinde­t. Und richtige Märkte, wie es sie in Spanien oder Israel gibt, leben von aufregende­m Street-Food. Die Märkte brauchen eine bunte, wilde Mischung aus Ständen und Gastronomi­e. Die Menschen sollen Lebensmitt­el nicht nur kaufen und mit nach Hause nehmen, sondern gleich am Markt verkosten. Zum Markt gehen, das ist ein soziales Event. Wenn ich in Israel zum Markt gehe, esse ich einen Hummus-Teller, gehe zu den Fischhändl­ern, tratsche. Das ist für mich echtes Leben.

Haben Sie einen Lieblingsm­arkt in Wien?

Ich habe in der Krise den Hannoverma­rkt für mich entdeckt. Ich habe dort die Oliven gefunden, die ich immer schon gesucht habe. Und es gibt tolle Syrer, die dort Laffa machen. Großartig!

Am Naschmarkt soll zusätzlich eine überdachte Markthalle entstehen. Gute Idee?

Ja, ich finde das sensatione­ll. Vor allem bei schlechtem Wetter. Wir sind ja nicht in Israel, wo immer die Sonne scheint. Ich plädiere auch dafür, dass es mehr Gastronomi­e gibt. Derzeit ist der Anteil am Markt bei 30 Prozent. Es sollten bis zu 40 Prozent sein. Das hilft den anderen Händlern. Ich schicke meine Gäste jetzt schon zu ihnen einkaufen.

Was planen Sie am Tel Aviv Beach am Donaukanal?

Das Lokal wird „NENI am Wasser“heißen. Nach zehn Jahren „Tel Aviv“braucht es eine Auffrischu­ng. Wir haben eine junge Designerin gefunden, die alles entwirft. Viel Holz, Stroh, Sand – alles sehr warm, mediterran. Es wird eine Überdachun­g geben, damit die Leute, wenn es regnet, nicht mehr davonlaufe­n. Und es wird noch mehr zum echten Restaurant. Es gibt noch mehr zu essen, richtige Gerichte, viel Feuerküche, Fisch im Ganzen, alles hochwertig. Und mit echtem Mittelmeer­Feeling, wie in Griechenla­nd! Als nächstes – sobald der Lockdown endet – eröffnen wir jetzt aber „NENI am Prater“, mit Blick auf das jüdische Viertel und den Prater. Darauf freue ich mich.

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 ??  ?? Gastronomi­n, Köchin, Kochbuchau­torin: Haya Molcho und ihre Söhne planen die nächsten Projekte
Gastronomi­n, Köchin, Kochbuchau­torin: Haya Molcho und ihre Söhne planen die nächsten Projekte
 ??  ?? Der Tel Aviv Beach am Donaukanal wird nach zehn Jahren neu – und heißt fortan „NENI am Wasser“
Der Tel Aviv Beach am Donaukanal wird nach zehn Jahren neu – und heißt fortan „NENI am Wasser“

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