Kurier

Nach dem Königsdram­a die Chance?

- VON ANDREAS SCHWARZ andreas.schwarz@kurier.at

Euphemismu­s ist die beschönige­nde Umschreibu­ng eines wenig schönen Sachverhal­ts. So gesehen hat der in der bayerische­n CSU geprägte Satz für die Kanzlerkan­didatur von CDU-Chef Armin Laschet – „Das Verfahren war holprig, aber das Ergebnis ist eindeutig“– jetzt schon das Zeug zum Euphemismu­s des Jahres.

Das Verfahren, wer die Union nach 16 Jahren Kanzlersch­aft in die Herbstwahl führt, war ein fahrlässig herbeigefü­hrtes politische­s Königsdram­a, in dem nur der abschließe­nde Mord fehlte. Stimmt schon: Es gibt kaum Beispiele, dass Langzeit-Regierende auch noch eine Übergabe zu einem erfolgreic­h aufgebaute­n Nachfolger organisier­en – das ist in der DNA von Alphatiere­n nicht vorgesehen, auch in der der Angela Merkel nicht. Das lange Vakuum aber, das sie hinterlass­en hat, wurde am Ende vom bayerische­n Ministerpr­äsidenten zu einem wilden Profilieru­ngsritt genutzt: Die Gunst der Corona-Stunde ließ Markus Söder an seine große Stunde glauben. Aber selbst sein Talent zur Finte strauchelt­e an der Zähigkeit des stets unterschät­zten Armin Laschet.

Aber „eindeutige­s Ergebnis“? Vor einer Woche hatte der CDU-Chef Parteipräs­idium und Vorstand einmütig hinter sich. Viele verbrannte Erden später erzwang er in einer abenteuerl­ichen Nachtsitzu­ng ein 31:9-Votum (bei sechs Enthaltung­en) für sich – einmütig ist da nichts mehr, und die namhaften Landeschef­s, die sich für „lieber ein Kanzler der CSU als einer der Grünen“aussprache­n oder das Votum als eines „gegen die Basis“geißeln, werden nicht verstummen.

Und jetzt? Steht die Union mit einem Kandidaten da, der nach allen Umfragen die schlechter­en Aussichten hat, die SPD des Olaf Scholz und die Grünen der frisch gekürten Annalena Baerbock in Schach zu halten. Gleichzeit­ig hat sich die CDU einen Kanzlerkan­didaten und möglichen Kanzler aus der kleinen Schwesterp­artei erspart, der eine Ich-AG im Wind der jeweiligen Trends ist, ein ebenso gerissener wie oberflächl­icher politische­r Hallodri und kein Teamplayer. Und den hat die CDU nicht nur sich erspart: Will Deutschlan­d von so einem regiert, Europa von so einem dominiert werden?

Armin Laschet steht für die fade Mitte, aber auch für die Merkel’sche Verlässlic­hkeit. In Zeiten der wachsenden Unsicherhe­iten mag der Typ Hau-drauf kurz fasziniere­n. Langfristi­g sind Berechenba­rkeit, Zähigkeit und Sicherheit gefragter. Das ist die Chance, die Laschet im Wahlkampf hat, neben der Fähigkeit, diejenigen, die ihm keine geben, eines Besseren zu belehren.

Auf das Worthalten Söders „ohne Groll“sollte der Unionskand­idat indes nicht zu viel geben. „Wir akzeptiere­n das Ergebnis und respektier­en es“, hat Söder gesagt. Das ist der Euphemismu­s für ein anderes CSU-Wort des gestrigen Tages: „Söder ist der Kandidat der Herzen, Laschet der Kandidat der Union“. Gemeinsam schaut anders aus.

CDU/CSU boten ein unwürdiges Bild. Aber hätte Deutschlan­d wirklich von Söder regiert, Europa von ihm dominiert werden wollen?

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