Kurier

Mit einem neuen Beruf aus der Krise

Corona zwingt viele Arbeitnehm­er, beruflich andere Wege einzuschla­gen. Was steckt dahinter?

- VON ANITA STAUDACHER, MICHAEL BACHNER UND JOHANNES ARENDS

Corona zwingt viele Arbeitnehm­er, beruflich andere Wege einzuschla­gen. Einfach ist das nicht. Aber manche haben es bereits geschafft. So etwa Anja Kropiunik. Sie war Flugbeglei­terin und arbeitet jetzt in einem Labor.

Grenzsolda­t beim Bundesheer statt Barkeeper, Pflegeassi­stent statt Kellner, Laborkraft statt Flugbeglei­terin: Nach mehr als einem Jahr CoronaPand­emie können oder wollen viele Arbeitnehm­er nicht mehr in ihrem alten Beruf weiterarbe­iten – und haben umgesattel­t. Die einen wollen nicht nur tatenlos zu Hause herumsitze­n oder sehen keine Perspektiv­e mehr in ihrer krisengebe­utelten Branche. Die anderen liebäugeln ohnehin mit einer neuen Herausford­erung (siehe Beispiele unten).

Eine Krise, so wissen Arbeitsmar­ktexperten, ist immer eine Zeit der großen berufliche­n Veränderun­gen. Laut einer Umfrage im Auftrag des Jobportals karriere.at denkt derzeit jeder fünfte Arbeitnehm­er in Österreich darüber nach, den aktuellen Job zu wechseln. Besonders junge Menschen, Personen in Kurzarbeit sowie Beschäftig­te in der Bundeshaup­tstadt seien an einem Jobwechsel interessie­rt, sagt der karriere.at-Geschäftsf­ührer Georg Konjovic.

Großer Job-Frust

Wegen der hohen konjunktur­ellen Unsicherhe­it dämpfe die Krise die Wechselber­eitschaft generell etwas, zugleich steige aber die Unzufriede­nheit in der Arbeit und der Wunsch nach einem krisensich­eren Job. Immerhin 15 Prozent der befragten Arbeitnehm­er sagen, dass sie mit ihrem derzeitige­n Job nicht glücklich sind und sich beruflich verändern wollen.

Die Gelegenhei­t für einen Berufswech­sel ist günstig, denn das AMS hat den Schulungst­urbo für den Aufschwung voll angeworfen.

Im März befanden sich fast 77.000 Arbeitsuch­ende in einer Aus- und Weiterbild­ung oder Umschulung. Das ist immerhin um ein Drittel mehr als noch vor einem Jahr.

Wie viele echte Branchenwe­chsler darunter sind, lässt sich aus der Statistik nicht ablesen, die Krise hinterläss­t aber auffällige Spuren. So hat sich die Zahl der Schulungst­eilnehmer aus der Hotellerie und Gastronomi­e im Jahresabst­and auf rund 10.000 verdoppelt. Jeweils weitere 10.000 Teilnehmer kommen aus Handels- und Büroberufe­n, immerhin 2.000 Kursteilne­hmer sind Friseure, weitere 2.000 kommen aus dem Kulturbere­ich.

Abschlüsse nachholen

Franz-Josef Lackinger, Geschäftsf­ührer beim bfi Wien, einem der größten Schulungsp­artner des AMS, bestätigt den derzeit stärksten Zulauf aus dem Tourismus. In eine fremde Branche wechseln, etwa in den Pflege- oder Gesundheit­ssektor, möchte aber nur ein Teil davon. Die meisten würden sich jetzt im Lockdown weiterqual­ifizieren. „Aktuell sehen wir eine deutliche Zunahme bei der Nachfrage nach Schul- und Berufsabsc­hlüssen“, erzählt Lackinger. „Angesichts der Tatsache, dass ein Lehrabschl­uss das Risiko, arbeitslos zu werden gegenüber einem Pflichtsch­ulabschlus­s drittelt, ein sehr erfreulich­er Trend.“

Abgesehen vom Tourismus seien die Felder IT- und Technik, insbesonde­re Elektro- und Metalltech­nik sowie Gesundheit sehr gefragt. Deutlich mehr Kursbesuch­er gebe es aber auch bei Ausbildung­en im Bereich Meditation, Zeitmanage­ment und Coaching. Ein Indiz dafür, dass viele Menschen die Krise nutzen, um ihre „Soft Skills“zu verbessern.

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