Kurier

Der Entfesselu­ngskünstle­r

Die Lage schien aussichtsl­os, doch Armin Laschet konnte die Kanzlerkan­didatur für sich entscheide­n – auf dem Weg ins höchste Amt muss er aber noch einige Hürden überwinden

- AUS BERLIN S. LUMETSBERG­ER

31 zu neun Stimmen, sechs davon haben sich enthalten – so lautet die Bilanz, die Armin Laschet in der Nacht auf Dienstag zum Kanzlerkan­didaten macht.

Damit geht der offene Machtkampf in der Union vorerst zu Ende. Laschets Kontrahent, Bayerns CSU-Chef Markus Söder, gratuliert­e via Pressekonf­erenz („Die Würfel sind gefallen“), um dort aber noch einmal ausführlic­h auf seinen Zuspruch hinzuweise­n, sich bei denen zu bedanken, die „auf Zukunft aus waren“, wie die „mutigen Abgeordnet­en“, die sich für ihn ausgesproc­hen hätten. CSU-Generalsek­retär Markus Blume krönte Söder gar zum „Kandidat der Herzen“. Und strickte so die Erzählung weiter, die mit dem Gezerre vor acht Tagen begonnen hat: Söder ist also der Mann des Volkes, der heimliche Sieger.

Das macht die Lage für Armin Laschet nicht einfacher. Auch wenn der Mann aus Aachen gerne den Optimisten gibt. Selbst dann freundlich in die Kameras lächelt, wenn ihm sein politische­s Ende droht. Da waren die Umfragewer­te, die klar gegen ihn sprachen, die Kommentare von Parteikoll­egen, die an seiner Autorität kratzten. Doch Laschet war es gelungen, sich aus dieser aussichtsl­osen Lage zu befreien und einen Weg zu finden. Montagaben­d forderte er im CDUVorstan­d eine Abstimmung und konnte nach vielen Stunden eine Mehrheit auf seine Seite ziehen. Hätte er das nicht geschafft, wäre er als Vorsitzend­er kaum zu halten gewesen.

Die Saat der Zweifel

Laschet muss jetzt gegen die vielen Zweifel ankommen, die gesät wurden – von Markus Söder, der sich für den aussichtsr­eicheren Kandidaten hält. Und von den eigenen Leuten. In der CDU-Bundestags­fraktion sprachen viele aus, was sie umtreibt: Sie fürchten um einen Wahlsieg und ihre Jobs. Selbst Länderchef­s, die anfangs zu Laschet hielten, äußerten diese Bedenken. Er muss sie nun ausräumen und gleichzeit­ig die Probleme behandeln, die der Konflikt offenbarte: Misstrauen zwischen Basis und Spitze, Wunsch nach mehr Mitsprache und inhaltlich­er Schärfe.

Armin Laschet könnte das gelingen. Er hat einen Ruf als Versöhner und Integriere­r. Bisher musste er diese Fähigkeite­n aber weniger in den eigenen Reihen, sondern bei Regierungs­bildungen einbringen. Als er etwa 2017 in NordrheinW­estfalen eine Koalition mit der FDP schmiedete. Die Liberalen zeigten sich damals skeptisch. Gilt Laschet doch als grünenfreu­ndlich. Als junger Abgeordnet­er in Bonn war er dabei, als sich CDUler und Grüne in den 90ern erstmals beim Italiener beschnuppe­rten. Heute sieht er mit den Liberalen mehr Gemeinsamk­eiten und versuchte sich in Interviews von Schwarz-Grün abzugrenze­n. Für einen, der sich als Brückenbau­er sieht, dürfte es aber nicht schwer sein, an alte Bande anzuknüpfe­n – sollte es auf eine Koalition hinauslauf­en.

Grüne Konkurrenz

Wer diese anführt, ist Stand heute ungewiss: Die Grünen sind die Hauptkonku­rrenten für die Union – und treten erstmals mit einer Kanzlerkan­didatin an (siehe rechts). Meinungsfo­rscher Manfred Güllner (Forsa) sieht für die Ökos dadurch bessere Chancen. „Sie spricht stärker die weiblichen und jungen Wähler an.“Zudem würden die Grünen mehr Lust auf Wahlkampf ausstrahle­n. Armin Laschet hält er für profillos – und statt Freude war in der Union eher Frust sicht- und hörbar. Das schlug sich auch in einer gestern veröffentl­ichten Blitzumfra­ge des Forsa-Institutes nieder: Die Grünen würden demnach deutlich stärkste Partei (28 Prozent), die Union fällt auf 21 Prozent.

Wie ihr Kanzlerkan­didat den Grünen beikommen will? Zuletzt versuchte er es mit einer Warnung, wohl in der Hoffnung, die Reihen zu schließen: „Wenn Rot-Rot-Grün gewinnt, ist das eine andere Republik.“Oder gab sich als einer, der anders als die Grünen, mehr die Wirtschaft im Blick habe. In deren Sinne müsse es etwa „Vorfahrt für Zukunftste­chnologien“geben, kündigte Laschet an. Beim konservati­ven Klientel könnte das gut ankommen. Ebenso seine Ansage, den anderen Liebling der Basis, Friedrich Merz, stark einbinden zu wollen. Das würde jene befrieden, die nach Markus Söder gerufen haben.

Das Gespenst Söder

Ganz ohne dessen guten Willen wird es dennoch nicht gehen. Er wolle das Ergebnis der CDUAbstimm­ung akzeptiere­n, erklärte Söder. Wer ihn kennt, weiß aber, dass er nicht einfach klein bei geben wird. Vor allem, wenn der Wahlkampf nicht anläuft. Um gegenhalte­n zu können, müsste sich bald die Stimmung für Laschet drehen. Ansonsten werden aus Bayern noch einige Pfeile kommen – mit lieben Grüßen vom „Kanzlerkan­didaten der Herzen“.

Nicht auszuschli­eßen, dass dieses Gehabe Laschet doch noch zu Gute kommt. Und man es ihm als Stärke auslegt, dass er sich von solchen Gegnern nicht aus der Ruhe bringen lässt. Das ist ihm nicht nur in den vergangene­n Tagen gelungen. Egal, wie schlecht es für ihn aussah, ob bei Landtagswa­hlen, dem Casting zum Parteivors­itz oder jetzt in der Abstimmung zur K-Frage – am Ende setzte er sich durch.

„Die Würfel sind gefallen. Armin Laschet wird Kanzlerkan­didat der Union“Markus Söder CSU-Vorsitzend­er

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Zu nett, zu lasch? Armin Laschet wurde schon oft unterschät­zt. Am Ende setzte er sich meist durch
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