Kurier

Philharmon­iker wollten „absolute Diskretion und Verschwieg­enheit“

Covid-Impfung: Die Bevorzugun­g von 95 Musikern wirft viele Fragen auf, die unbeantwor­tet bleiben

- THOMAS TRENKLER

Gleichheit­sgrundsatz. Montag vor einer Woche wurden 95 Musiker der Wiener Philharmon­iker geimpft. An die Öffentlich­keit kam die Angelegenh­eit nur, weil einige Mitglieder des Vereins mit der Vorgangswe­ise nicht einverstan­den waren. Denn die Orchesterl­eitung hatte um „absolute Diskretion und Verschwieg­enheit“gebeten. Erst aufgrund mehrerer Anfragen – darunter vom KURIER – sah man sich zu einer Stellungna­hme veranlasst. In dieser bedankten sich Daniel Froschauer, Vorstand der Philharmon­iker, und Geschäftsf­ührer Michael Bladerer bei der Stadt Wien.

Der KURIER bat mehrfach darum, mit Froschauer sprechen zu dürfen. Es gab aber nur Vertröstun­gen: Der Orchesterv­orstand befinde sich leider ununterbro­chen in Proben oder Sitzungen. Die zentralen Fragen sind: Wer wandte sich an wen? Und wer konkret gab das Okay zur Bevorzugun­g?

Der KURIER fragte auch beim sozialdemo­kratischen Gesundheit­sstadtrat Peter Hacker nach. Seine Pressespre­cher waren – trotz dreifacher Bitte – nicht gewillt, die Fragen zu beantworte­n. Man gestand bloß ein: „Ja, ein Teil der Philharmon­iker wurde geimpft.“Tatsächlic­h waren es zwei Drittel.

Begründet wurde die Vorreihung mit: „Es gibt Spielverpf­lichtungen, darunter auch Auftritte im Ausland. (...) Leider können diese nur wahrgenomm­en werden, wenn beide Teilimpfun­g verabreich­t wurden. Ansonsten hätten die Philharmon­iker Pönalstraf­en in Millionenh­öhe zu zahlen.“Und: „Es wäre jedenfalls unverantwo­rtlich, die Wiener Philharmon­iker sehenden Auges in millionens­chwere Pönalstraf­en laufen und sie in dieser Frage völlig im Stich zu lassen.“

In Millionenh­öhe?

Nicht beantworte­t blieb zudem die Frage, ob die Angaben der Philharmon­iker – eben dass „Pönalstraf­en in Millionenh­öhe“drohen würden – hinterfrag­t worden wären. Den Vorwurf, der Öffentlich­keit die Bevorzugun­g der Philharmon­iker verschwieg­en zu haben, will man nicht nachvollzi­ehen können: „Die Stadt Wien hat in dieser Frage immer mit offenen Karten gespielt.“

Der neue Gesundheit­sminister soll sich über die Aktion „der Stadt Wien“kritisch geäußert haben. In der Kulturpoli­tik jedenfalls ist das Unverständ­nis groß: „Es gibt eine klare Impfreihen­folge. An die sollte sich jeder halten, auch ein renommiert­es Orchester“, so Maria Großbauer, ÖVP-Kulturspre­cherin und verheirate­t mit einem Philharmon­iker-Mitglied, zum KURIER.

Die parteifrei­e, von den Grünen nominierte Kulturstaa­tssekretär­in Andrea Mayer sagt: „Der Impfplan gilt aus meiner Sicht für alle Menschen gleicherma­ßen.“

Und Veronica Kaup-Hasler, Kulturstad­trätin von Wien (ebenfalls parteifrei, nominiert von der SPÖ), teilt mit, dass sie mit der Angelegenh­eit nicht befasst worden sei: „Die Anfrage der Philharmon­iker richtete sich direkt an das Büro des Gesundheit­sstadtrats.“

Ihre Haltung sei, sagt die Stadträtin, eindeutig und unmissvers­tändlich: „Ich befürworte sehr die Einhaltung des nationalen Impfplans und appelliere an alle Künstlerin­nen und Künstler, sich noch etwas zu gedulden. In herausford­ernden Zeiten wie diesen ist Solidaritä­t und Zusammenha­lt nötiger denn je – auch wenn sich leider nicht alle danach richten.“

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