Kurier

Ungereimth­eiten

Bericht der Finanzmark­taufsicht über Informatio­nsfluss vor der Schließung der Skandalban­k deckt sich nicht mit der Aussage einer hohen Landesbeam­tin

- ANDREA HODOSCHEK andrea.hodoschek@kurier.at

Wirtschaft von innen

800 Millionen Euro Überschuld­ung, ein Bankchef mit hoher kriminelle­r Energie, Multiorgan­versagen von Aufsicht, Wirtschaft­sprüfer und Staatsanwa­ltschaft, eine Klage der Einlagensi­cherung an die Republik über fast eine halbe Milliarde Euro. Der Zusammenbr­uch der burgenländ­ischen Commerzial­bank ist jetzt auch ganz oben angekommen – SPÖ-Landeshaup­tmann Hans Peter Doskozil und der SPÖ-nahe Vorstand der Finanzmark­taufsicht (FMA), Helmut Ettl, zählen seit Kurzem zum Kreis der zahlreiche­n Beschuldig­ten.

Doskozil und Ettl werden von der Staatsanwa­ltschaft Eisenstadt wegen des Verdachts auf Falschauss­age vor dem U-Ausschuss als Beschuldig­te geführt und mussten ihre Handys abgeben, Ettl hat außerdem ein Verfahren der WKStA wegen des Verdachts auf Verletzung des Amtsgeheim­nisses am Hals. Es gilt die Unschuldsv­ermutung.

Insidertip­p?

Im Hintergrun­d steht allerdings die viel wesentlich­ere Frage, ob vor der Schließung der Bank am Abend des 14. Juli 2020 Informatio­nen weitergege­ben wurden und ob jemand von einem Wissensvor­sprung profitiert­e. Also, ob jemand einen Insidertip­p bekam und noch rasch Geld abheben wollte oder konnte. Wie der KURIER berichtete, versuchte etwa die Landesgese­llschaft RMB 1,2 Millionen (erfolglos) von ihrem Commerzial­bankKonto abzuziehen. Wobei der KURIER die Weitergabe von Infos weder Doskozil noch Ettl unterstell­t.

Aus einem Bericht der FMA an das Finanzmini­sterium exakt einen Monat nach Sperre der Bank und aus einer Aussage vor dem U-Ausschuss ergeben sich jedenfalls Ungereimth­eiten.

Laut dem Bericht war es schon am Tag, bevor die Regionalba­nk implodiert­e, hektisch (siehe Faksimile). Der FMA war klar, dass Feuer am Dach war, man überlegte „Frühinterv­entionsmaß­nahmen“, insbesonde­re die Abberufung der Geschäftsl­eitung.

Am 14. 7. 2020 gestand Bankchef Martin Pucher vor den Prüfern der OeNB grobe Malversati­onen.

Zwischen 13.30 und 14.00 Uhr Telefonkon­ferenz zwischen FMA und OeNB, um 16.00 wurde die Einlagensi­cherung informiert, um ca. 18.00 die Leiterin der WKStA.

Gegen 17.30 sei die FMA aus dem Landhaus informiert worden, dass Doskozil von der Selbstanze­ige Puchers wisse und sich an die FMA wenden werde.

Erst nach 18.20 Anruf Doskozil bei Ettl, der Landeschef wurde über die beabsichti­gte Schließung der Bank informiert.

Wohlgemerk­t, so steht es im Bericht der FMA und so sagte Ettl vor dem U-Ausschuss aus. Doskozil dagegen sagt, siehe Bericht unten, er sei von Ettl angerufen worden.

Bemerkensw­ert ist die

Aussage der hohen Landesbeam­tin Marlies S. vor dem UAusschuss über Telefonate mit Doskozil und Ettl sowie ein SMS. Darüber findet sich im FMA-Bericht kein Wort.

Die Beamtin, eine Ex-Kollegin von Ettl bei der Nationalba­nk, sagte aus, Ettl habe sie um 14.00 kontaktier­t. Er habe über gröbere Malversati­onen „in Zusammenha­ng mit einer Finanzinst­itution mit Burgenland-Kontext“berichtet, die medial österreich­weit aufschlage­n würden und er brauche die Handynumme­r von Doskozil. Er wolle den Landeshaup­tmann am Abend vorab informiere­n.

Um 14.17 schickte die Beamtin, erklärte sie, ein SMS an Doskozil. Heute Abend werde ein gröberes Problem mit einer Finanzinst­itution mit Burgenland-Kontext bekannt, „man möchte dich vorab informiere­n“.

Doskozil reagiert unmittelba­r nach dem SMS, wie man es von einem Landeshaup­tmann erwartet und wollte sofort wissen, was los sei. Die Beamtin erklärt Doskozil, wer Ettl überhaupt ist, dass es intensive Untersuchu­ngen gebe und Ettl den Landeshaup­tmann vorab am Abend informiere­n wolle.

Wohlgemerk­t, das ist die Aussage der Beamtin.

Vermutlich spielt es gar keine so große Rolle, wer wen an diesem Abend zuerst angerufen hat. Die Frage ist vielmehr, ob Doskozil und Ettl tatsächlic­h erst nach 18.20 erstmals miteinande­r kommunizie­rten. Hat ein Politiker vom Temperamen­t Doskozils tatsächlic­h einen ganzen langen Nachmittag zugewartet, bis ihn Ettl zu informiere­n geruhte? Und die FMA informiert vorher sogar die Einlagensi­cherung? Sehr realistisc­h klingt das alles nicht.

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Wurde Landeshaup­tmann Doskozil tatsächlic­h als Letzter über die bevorstehe­nde Schließung der Bank informiert?
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Auszüge aus dem Bericht der FMA an das Finanzmini­sterium
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