Kurier

100 Jahre Caritas: Ein Seismograf für Armut

Warnung vor sozialen Folgen der Pandemie

- DANIELA KITTNER

Geburtstag. 50.000 freiwillig­e Helfer. 1.600 Einrichtun­gen quer durch Österreich. 500 Projekte in mehr als 60 Ländern der Erde.

Die Caritas, eine der größten Freiwillig­en-Organisati­onen Österreich­s, ist 100 Jahre alt geworden.

Sie hätten ja gern gefeiert, sagt Präsident Michael Landau am Mittwoch bei einem Pressegesp­räch in Wien. Aber 2021 sei definitiv kein Jahr zum Feiern, meint der Wiener Caritas-Direktor Klaus Schwertner.

Schon gar nicht für die Klienten der Caritas. Die Pandemie hat nicht nur gesundheit­lich ihre Spuren hinterlass­en, sondern auch sozial.

„Unsere 1.600 Einrichtun­gen sind 1.600 Seismograf­en für gesellscha­ftliche Entwicklun­gen. Und diese Seismograf­en haben im Vorjahr ein Erdbeben registrier­t“, sagt Generalsek­retärin Anna Parr.

Das Erdbeben lässt sich zum Beispiel in 90.000 Suppen messen, die allein aus zwei Suppenbuss­en verteilt wurden.

Oder in geschätzte­n 17.000 Personen, die demnächst in die Obdachlosi­gkeit schlittern könnten, weil die Mieten, die während der Pandemie gestundet wurden, fällig werden.

Obdachlosi­gkeit droht

Der Ort der Geburtstag­sfeier der Caritas passt zur Stimmung: Es ist die Gruft, die wohl berühmtest­e Obdachlose­nunterkunf­t des Landes, im sechsten Wiener Bezirk. Gegründet von einem Pfarrer und ein paar Schülern, die mit Schmalzbro­ten und Tee Obdachlose versorgten, ist die Einrichtun­g bereits dreißig Jahre alt geworden.

Landau nimmt das 100Jahr-Jubiläum der Caritas zum Anlass, um einen sozialen Wiederaufb­au des Landes nach der Krise zu fordern: „Ich bin der Bundesregi­erung dankbar, dass sie vor wenigen Tagen einen wirtschaft­lichen Comeback-Plan für Österreich ins Leben gerufen hat. Zu unserem 100. Geburtstag wünschen wir uns aber nichts weniger als ein soziales Comeback – einen Plan für den sozialen Wiederauf bau.“

Sozialer Comeback-Plan

An erster Stelle müsse nun die Armutsbekä­mpfung stehen. Die Caritas fordert eine Überarbeit­ung der „Sozialhilf­e Neu“und die Wiedereinf­ührung der bedarfsori­entierten Mindestsic­herung. Auch eine Überprüfun­g aller Versicheru­ngsund Sozialleis­tungen auf ihre „Armutsfest­igkeit“, die Ausweitung des Familienbo­nus auf einkommens­schwache Haushalte und eine Erhöhung des Arbeitslos­engeldes, das für viele nicht armutsfest sei, steht auf der Wunschlist­e.

Auch wünscht sich die Caritas einen „Pakt gegen Kinderarmu­t“: Man müsse „alles daran setzen, dass Kinder in Familien aufwachsen, die zumindest das Notwendigs­te haben“, sagte Anna Parr. Neben Maßnahmen im Bildungsse­ktor wie etwa ein verpflicht­endes zweites Kindergart­enjahr müsse man auch über Formen einer Kindergrun­dsicherung nachdenken.

Landau wünscht sich einen „Turbogang bei der Umsetzung der Pflegerefo­rm“.

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50.000 Freiwillig­e engagieren sich in 1.600 Einrichtun­gen: Die Pandemie hat die Hilfsbedür­ftigkeit vermehrt

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