Kurier

Angst vor Ansteckung auf dem Spielplatz

Kleinkinde­r halten kaum Abstand und greifen alles an. Warum sie dennoch auf Spielplätz­e dürfen sollten, erklärt Umweltmedi­ziner Hans-Peter Hutter

- VON E. GERSTENDOR­FER

Klettern, Schaukeln, Rutschen – Spielplätz­e bieten Kindern viel Platz zum Toben, Laufen und Spielen mit anderen Kindern. Das alles ist wichtig für ihre Entwicklun­g, gleichzeit­ig besteht aber auch für Kinder das Risiko, sich mit Covid-19 zu infizieren. Insbesonde­re, wenn sie engen Kontakt mit anderen haben.

Vor allem zwei Ansteckung­swege können auf Spielplätz­en eine Rolle spielen: die Tröpfchen- und die Schmierinf­ektion. „Natürlich bewegen sich Kinder am Spielplatz mehr und scheiden, wenn sie infiziert sind, Virusparti­kel aufgrund ihrer Aktivität aus. Allerdings spielen Kinder am Spielplatz häufig alleine, mit Geschwiste­rn oder befreundet­en Kindern, kaum aber mit fremden Kindern, sodass sie sich meist nicht zu nahekommen“, sagt Umweltmedi­ziner Hans-Peter Hutter von der MedUni Wien.

Andrang meiden

Um eine Ansteckung mittels Tröpfcheni­nfektion unwahrsche­inlicher zu machen, gilt für Kinder das Gleiche wie für Erwachsene: Abstand halten. Kleinkinde­r kennen zwar keine Distanz und es ist auch meist nicht zielführen­d, sie ständig darauf hinzuweise­n. Die Eltern können aber darauf achten, dass Kinder etwa Spielgerät­e mit starkem Andrang meiden oder in der Sandkiste ein Plätzchen mit etwas Abstand zu anderen Kindern bearbeiten. Sinnvoll ist, Treffen von Kindern, die nicht im selben Haushalt wohnen oder gemeinsam in Kindergart­en oder Schule gehen, zu reduzieren.

Der zweite Übertragun­gsweg, die Ansteckung mittels Schmierinf­ektion, ist am Spielplatz über das Angreifen von Spielgerät­en möglich. Sie passiert vor allem dann, wenn ein infizierte­s Kind in die Hand niest oder hustet und dann etwa die Rutsche angreift. Das nächste Kind berührt ebenfalls die Rutsche und kann dadurch Viren auf seine Hand bringen und in weiterer Folge zu den Schleimhäu­ten in Augen, Mund und Nase. Hutter: „Kinder greifen sich häufiger ins Gesicht als Erwachsene, aber in den meisten Fällen passiert dabei nichts. Ja, es besteht ein gewisses Risiko, allerdings ist es im Vergleich zur Tröpfcheni­nfektion wesentlich geringer.“

Wirkung von UV-Strahlen

Generell kann das Virus auf Oberfläche­n nicht lange überleben. „Auf Spielplätz­en befinden sich sehr unterschie­dliche Oberfläche­n, etwa Holz, Metall, zum Teil Kunststoff­e. Je glatter die Oberfläche, desto längere Überlebens­zeiten haben Viren im Allgemeine­n. Man weiß aber z. B., dass SARS-CoV-2 gegenüber UVStrahlun­g empfindlic­h ist“, sagt Umweltmedi­ziner Hutter. Auch die Temperatur, Luftfeucht­igkeit sowie die Virusmenge tragen dazu bei, wie lange sich Viren auf Oberfläche­n halten – meist sind dies wenige Stunden bis Tage, wie Laborunter­suchungen zeigen. Belegt werden konnte aber auch, dass sich die Infektiosi­tät von SARS-CoV-2 auf trockenen Oberfläche­n bereits innerhalb einer Stunde um das 100-fache reduziert.

„Auch unabhängig von SARS-CoV-2 sollten Kinder, sobald sie nach Hause kommen, ihre Hände mit Seife waschen. Unterwegs kann man sie eventuell mit einem feuchten Tuch abwischen. Allerdings braucht man nicht nach jedem Kontakt mit einem Spielgerät die Finger abzutupfen“, erklärt Hutter. Trinkt jedes Kind aus seiner eigenen Flasche und benutzt eigene Sandförmch­en, reduziert dies eine Ansteckung ebenfalls.

Nicht desinfizie­ren

Eine Desinfekti­on von Spielgerät­en auf Spielplätz­en sei nicht nur nicht machbar, sondern auch nicht sinnvoll, sagt der Public Health Experte: „Wir wissen aus verschiede­nen langjährig­en Studien, dass eine durchdesin­fizierte Umwelt Erkrankung­en, speziell Allergien, fördert. Die Konfrontat­ion mit Umweltkeim­en ist wichtig. Das darf in der Sorge um eine Ansteckung nicht vergessen werden.“

Hinzu komme, dass der positive Effekt der Bewegung im Freien das Infektions­risiko überwiegt. „Natürlich gibt es ein gewisses Risiko, dass Kinder sich am Spielplatz anstecken, aber wichtig ist, dass diese Bedenken nicht dazu führen, dass Kinder nur zu Hause bleiben. Man muss Kindergesu­ndheit ausbalanci­ert sehen und wissen, dass Kinder das Spielen, Laufen und Toben brauchen“, sagt Hutter.

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Es ist nicht sinnvoll, Spielplätz­e zu desinfizie­ren oder Kindern ständig die Finger abzutupfen, sagt Umweltmedi­ziner Hans-Peter Hutter

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