Pharmig-Chef: „Impfen ist Bürgerpflicht“
Alexander Herzog über Impfpflicht, Impfstoffpreise und dritte Impfwelle
Der Generalsekretär des Pharmaverbandes will Impfunwillige lieber überzeugen als zwingen und verteidigt die Impfstoffpreise. Diese seien nichts im Vergleich zum Preis eines Lockdowns.
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KURIER: Die Impfbereitschaft sinkt, was die Debatte um eine Impfpflicht anheizt. Vor einem Jahr waren Sie dagegen, hat sich daran was geändert? Alexander Herzog: Nein. Druck erzeugt nur Gegendruck. Die Impfung ist der einzige Weg, der uns nachhaltig aus der Pandemie rausführt. Die Impfstoffe wirken gegen die bisher bekannten Mutationen sehr gut. Jetzt geht’s darum, die Bevölkerung rasch durchzuimpfen. Ich würde sagen, Impfen ist Bürgerpflicht.
Also doch eine Pflicht?
Ich empfinde es als eine persönliche Pflicht, die ich habe, um mich selbst zu schützen und meinen Teil dazu beizutragen, auch die Gesellschaft zu schützen.
Das sehen aber nicht alle so. Was tun mit den Impfunwilligen?
Wir als Pharmabranche stellen die Impfstoffe zur Verfügung. Es steht uns nicht zu, der Politik vorzuschreiben, was sie zu tun hat. Es gibt hier ohnehin Bestrebungen, etwa die Impfpflicht im Gesundheitswesen. Ich bin ein Verfechter der Aufklärung. Man muss mit Mythen aufräumen und die Menschen überzeugen.
Anders als etwa beim Zeckenimpfstoff halten sich die Hersteller mit Aufklärungskampagnen beim Covid-Impfstoff auffällig zurück. Warum?
Da muss ich widersprechen, die Hersteller klären natürlich auf. Der Informationsstand ist, glaub ich schon sehr hoch, da muss man als Hersteller nicht auch noch irgendwelche Plakate auf hängen.
Die Impfrate kann mit Anreizen erhöht werden. Haben Sie hier Vorschläge?
Wir wollen der Politik auch hier keine Vorschläge machen. Da geschieht von der Bratwurst bis zum Gutschein ohnehin einiges. Alle diese Anreize sind jedenfalls billiger als ein weiterer Lockdown mit allen dramatischen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen. Auch die Kosten für die Impfstoffe sind da im Vergleich zum volkswirtschaftlichen Nutzen vernachlässigbar.
Apropos Preis: Pfizer und Moderna haben laut Medienberichten kürzlich die Preise angehoben, was für Kritik sorgt. Warum wird Impfstoff mitten in der Pandemie teurer?
Das sind Gerüchte, die Hersteller haben noch nicht dazu Stellung genommen. Die EU-Kommission hat hier sicher sehr gut mit den Herstellern verhandelt und eine Balance zwischen Lieferfähigkeit und Preis gefunden. Klar ist: Es wird viel Geld in die Produktion, Distribution und Weiterentwicklung des Impfstoffes investiert. Noch einmal: Der Preis eines Impfstoffes ist nichts im Vergleich zum Preis eines Lockdowns.
Kritiker verweisen auf die hohen Gewinne, die die Pharmafirmen mit dem Covid-Impfstoff machen. Gerechtfertigt?
Jedes Unternehmen, das ein Produkt auf den Markt bringt, egal ob Würstelstand-Besitzer, IT-Unternehmen oder Baufirma, muss Gewinne machen, um zu überleben. Nur weil die Pharmaindustrie in der Vergangenheit Gewinne gemacht hat, konnte sie Geld in Forschung und Entwicklung investieren. Hätten wir alles zum Selbstkostenpreis abgegeben, würden uns jetzt die Mittel für die Covid-Forschung fehlen.
Die Covid-Impfstoff-Entwicklung wurde zum Teil mit Staatsgeld überhaupt erst ermöglicht. Wird da der Staat jetzt doppelt zur Kasse gebeten?
Das Argument höre ich immer wieder, aber es ist schlicht falsch. Die Grundlagenforschung auf Universitäten hat ja das Ziel, aus einer Idee einmal Produkt zu machen, das letztlich verkauft werden soll. Von 10.000 Ideen kommt vielleicht ein Produkt auf den Markt. Das gesamte Risikokapital von der Idee zur Marktreife, also etwa die vielen klinischen Studien, trägt das Pharmaunternehmen. Es gibt zig Beispiele von Entwicklungen, die niemals zu einem Produkt werden. Die Risiken bleiben beim Unternehmen.
Bald beginnen die Auffrischungsimpfungen. Wird es genug Impfstoff geben oder ist mit Engpässen wie im Frühjahr zu rechnen?
Wir erwarten aus jetziger Sicht keine Engpässe. Die Kapazitäten stehen. Die EU hat für die dritte Welle bei Biontech/Pfizer rechtzeitig bestellt, auch Österreich hat vorgesorgt. Die USA hat das noch nicht getan. Die Durchimpfungsrate wird ein entscheidender Wettbewerbsvorteil sein.
Während Europa schon auffrischt, beginnen große Teile der Welt erst jetzt mit den Erstimpfungen. Sind da Material-Knappheiten nicht vorprogrammiert?
Es gibt langfristige Verträge mit Rohstoff-, Nadeloder Glasherstellern, aber es stimmt: Es muss nicht nur Europa, es muss die ganze Welt durchgeimpft werden, um die Pandemie erfolgreich zu bekämpfen. Da stehen wir vor enormen Herausforderungen.
Für die Pharmaindustrie ist das Virus jedenfalls ein nachhaltiges Geschäft ... Aus jetziger Sicht wird uns das Thema noch einige Zeit lang begleiten, ja. Ob es dauerhaft wird, kann derzeit niemand sagen.