Kurier

Keine Tea Time mit Johnson

London-Edinburgh. Der britische Premier Boris Johnson lehnt auf seiner Schottland-Reise ein Treffen mit Regierungs­chefin Nicola Sturgeon ab. Ihre Partei strebt ein neues Unabhängig­keitsrefer­endum an

- AUS LONDON GEORG SZALAI

„Ich habe gehört, der Premier besucht diese Woche Schottland“, twitterte die schottisch­e Regierungs­chefin Nicola Sturgeon am Montag und lud Boris Johnson zu einem Gespräch ein. Dieser versuchte, es durch die Blume zu sagen. Er wolle bei seinem zweitägige­n Besuch im Norden einen Dialog über „die gemeinsame Priorität der Erholung von der Pandemie“mit Vertretern aller Landesteil­e – anstatt nur mit der „lieben Nicola“.

„Ich fühle mich nicht brüskiert“, aber die Abfuhr könnten viele wohl „etwas merkwürdig“finden, konterte diese. SNP-Minister Angus Robertson (ehemals Moderator von FM4 in Österreich) forderte eine Erklärung von dem in Schottland unpopuläre­n Johnson, warum ein Treffen für ihn „keine Priorität“habe.

Seine Zustimmung nötig Die unerwähnte Kulisse des neuesten Akts im politische­n Spiel ist eine zweite Unabhängig­keitsabsti­mmung, die Sturgeons Partei SNP nach dem Regionalwa­hlsieg im Mai anstrebt. Laut Experten benötigt sie die Zustimmung Londons. Johnson lehnt das bisher ab – mit Hinweis auf die Volksbefra­gung

2014, in der 55 Prozent gegen die Abspaltung stimmten. Der Brexit, den die Schotten ablehnten, habe die Lage verändert, meint Sturgeon. Sie signalisie­rte, sich auf den Corona-Kampf zu konzentrie­ren und 2022 ein neues Plebiszit auf den Weg zu bringen. Auch weil Schottland ab Montag fast alle Corona-Restriktio­nen aufhebt, hätte sie das Thema bei einem Treffen vermutlich aufgebrach­t.

Laut Berichten könnte sie einen Kooperatio­nspakt mit den Grünen schließen, der

die Mehrheit der Unabhängig­keitsbefür­worter im Parlament unterstrei­chen würde.

Eine Wiederholu­ng seines Besuchs bei Sturgeon 2019, als er von Demonstran­ten ausgebuht wurde, wollte Johnson wohl vermeiden. Im Kampf um die Zukunft der Union setzt er auf Zeit. Denn nach einem Höhenflug der Unabhängig­keitsfans im Frühjahr sehen Umfragen diese knapp in der Minderheit.

Johnson greift lieber zu Zuckerbrot und Peitsche. So sagte sein Staatsmini­ster

Michael Gove jetzt erstmals, ein Referendum sei denkbar, „wenn es einen klaren Willen“dafür gäbe.

„Johnsons Strategie hinter seiner Absage war, Sturgeon nicht die von ihr erhoffte politische Gleichstel­lung zu gewähren“, sagt Tim Bale, Politologe an der Queen Mary Universitä­t London, dem KURIER. „Gleichzeit­ig ist seine Botschaft an die Schotten, dass er der Premier des Vereinigte­n Königreich­s ist, das ihnen alle möglichen Vorteile bringt, vor allem Impfstoffe“.

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2019 besuchte Johnson die schottisch­e Regierungs­chefin und wurde auf der Straße ausgebuht

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