Kurier

Glückstrai­ning fürs Gehirn

In Bewegung. Sport wälzt Denkprozes­se um. Das kann Wege aus der Depression eröffnen

- VON MARLENE PATSALIDIS

Das Herz schlägt schneller, der Atem vertieft sich, auf der Haut bilden sich Schweißper­len: Vieles, was sich beim Joggen im Körper abspielt, spürt man sofort. Was der Organismus nicht gleich offenbart: Die Ausschüttu­ng des Stresshorm­ons Cortisol wird herunterge­fahren, die Bildung der als Botenstoff­e des Glücks bekannten Neurotrans­mitter Endorphin, Serotonin und Noradrenal­in angekurbel­t. Dass diese Mechanisme­n dem psychische­n Wohlbefind­en zuträglich sind, ist hinreichen­d erforscht und auch für Laien nachvollzi­ehbar.

Verändert Sport auch Grundlegen­deres im Kopf? Diese Frage haben sich Forschende des Universitä­tsklinikum­s der Ruhr-Universitä­t Bochum gestellt. Sie ließen depressive Patientinn­en und Patienten drei Wochen lang regelmäßig sporteln. Infolge wurden hirnphysio­logische Messungen durchgefüh­rt, die depressive­n Symptome erneut diagnostis­ch bewertet – und Vergleiche zur inaktiven Kontrollgr­uppe gezogen.

Aktiver Körper, gelenkiger Geist Es zeigte sich: Körperlich­e Aktivität steigert die Veränderun­gsbereitsc­haft des Gehirns, die sogenannte Neuroplast­izität. „Neuroplast­izität beschreibt die Fähigkeit des Gehirns, sich bis zum Lebensende verändern und Verknüpfun­gsmuster anpassen zu können“, erklärt Psychologi­n Christina Beran. Dass das menschlich­e Gehirn offenbar durch Sport formbar wird, erscheint plausibel: „Je

Minuten moderaten Ausdauersp­ort empfiehlt die WHO 18- bis 64Jährigen pro Woche öfter ich etwas tue, und je besser ich es kann, desto sympathisc­her wird mir diese Tätigkeit, desto lieber übe ich sie aus und desto intensiver tauchen dabei angenehme Gefühle auf“, sagt Beran. Wiederholu­ng schafft also Lernerfolg, Begeisteru­ng, Motivation. Ein positiver Kreislauf entsteht. „Die Veränderun­g im Hirn folgt dem Fuß und eröffnet neue Handlungss­pielräume.“

Psychologi­n Karin FlenreissF­rankl hält auch einen anderen Wirkmechan­ismus für denkbar: „Wer dank eines veränderun­gswilligen Hirns flexibel auf Herausford­erungen des Alltags reagiert, kann Depression­en eher umschiffen.“Denn vielfältig­e Bewältigun­gsstrategi­en machen krisenfit. „Sind die Handlungso­ptionen eingeschrä­nkt, machen sich Hilflosigk­eitsgefühl­e breit – Gift für die Psyche.“

Newspapers in German

Newspapers from Austria