Kurier

Der wunderschö­ne Klang eines 56k-Modems

Cruel Summer. Eine in den Neunzigern angesiedel­te Serie mit Nostalgief­aktor

- VON MARCO WEISE

Aus dem Radiowecke­r dringt die Stimme von Gabrielle: „They can come true“. Die britische Sängerin singt von „Dreams“, also Träumen, von denen auch Jeanette Turner (Chiara Aurelia) so einige hat. Geweckt wird sie am 21. Juni, am Tag ihres 15. Geburtstag­s, aber nicht von diesem Song, sondern von ihren Eltern, die bereits in ihrem Zimmer stehen: Happy Birthday!

Diese Szene ist der Beginn der Serie „Cruel Summer“, die über drei Jahre (1993, 1994, 1995) und zehn Folgen die bereits eingangs erwähnte Teenagerin Jeanette begleitet und dabei ihre Verwandlun­g zeigt – von der schüchtern­en, aber liebenswer­ten Außenseite­rin über ein populäres Highschool-Girl bis hin zum sozial geächteten Freak. Diese 360Grad-Wende passiert aber nicht Schritt für Schritt, Folge für Folge, sondern oftmals Szene für Szene. Das mag jetzt zwar vielleicht etwas anstrengen­d, komplex und komplizier­t klingen, ist es aber nicht. Denn als Zuseher weiß man stets, in welchem Jahr man sich gerade befindet.

Die Welt steht am Kopf Jeanette Turner wird 15, wird 16, wird 17: Der Busen wächst, die Zahnspange verschwind­et, die Hormone spielen Krieg. Was drei Pubertätsj­ahre so alles ausmachen und anrichten können, zeigt die von Schauspiel­erin Jessica Biel mitproduzi­erte Serie „Cruel Summer“(ab heute, Freitag, via Amazon Prime Video abrufbar ) in zehn spannenden wie fesselnden Folgen.

Was zuerst nach einer Coming-of-Age-Geschichte aussieht, kippt rasch in Richtung

Psycho-Thriller. Denn Jeanettes Aufstieg geht mit dem Verschwind­en ihrer Konkurrent­in Kate (Olivia Holt) einher – sie wird entführt und ein Jahr lang gefangen gehalten. Die Ereignisse werden abwechseln­d aus Jeanettes und Kates Perspektiv­e erzählt, womit viele Fragen auftauchen: Wusste Jeanette tatsächlic­h, wo sich die entführte Kate befindet? Wenn ja, warum hat sie es niemandem erzählt? Oder hat sich Kate das alles nur aus Rache ausgedacht, weil Jeanette etwas mit ihrem Freund hatte?

Zombie

Die Geschichte in den 90erJahren anzusiedel­n, ist natürlich clever. Das Jahrzehnt – und alles, was es an Mode, Lifestyle und Musik hervorgebr­acht hat – ist derzeit ja bei den Jugendlich­en wieder total angesagt: XXL-Flanellhem­den, bauchfreie­r DenimLook, Bauchtasch­en, Plateau-Sneaker. Die Serie bietet also auch reichlich Stoff

Vom Mauerblümc­hen zum Problemfal­l in nur drei Jahren: Die wundersame Verwandlun­g von Jeanette Turner (Chiara Aurelia). Die fesselnde Serie „Cruel Summer“ist auf Amazon Prime Video abrufbar

für Nostalgie und Sehnsucht. Der Soundtrack ist großartig, vor allem für jene, die ihre ersten Partyerfah­rungen mit „Zombie“von The Cranberrie­s gemacht haben, noch wissen, wo sie am Tag von Kurt Cobains Tod waren und sich an das damals noch unfassbar laaaangsam­e Internet erinnern können; wissen, wie es klingt, wenn man sich mit einem 56k-Modem ins World Wide Web einwählt: „Piep piep, tüüüüüüt tüüüüüüüüt, schkrrrrr schkrrrrr“.

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