Asfinag-Baustopp unter Beschuss
Renommierter Verwaltungsjurist Strejcek stuft Gewesslers Straßenbau-Stopp als rechtswidrig ein. Ein möglicher Grund: Asfinag-Experten seien kompetenter bei Durchführung von Bauvorhaben
Verkehr. Renommierter Verwaltungsjurist Gerhard Strejcek stuft Gewesslers Asfinag-Weisung als rechtswidrig ein.
Je mehr der geplante Ausbau der S1 samt Lobautunnel ins Stocken gerät, desto größer wird die Anzahl der Kritiker am Vorgehen des Umweltministeriums. Stein des Anstoßes: Anfang Juli legte die grüne Ministerin Leonore Gewessler alle Straßenbauprojekte der Asfinag, die noch nicht in Bau sind, auf Eis.
Bevor gebaut werden darf, müssten alle Projekte im Hinblick auf ihre Klimatauglichkeit evaluiert werden, hieß es. Stadt und Wirtschaftskammer Wien kündigten sofort Klagen an (siehe Chronologie rechts).
Dass solche Klagen erfolgreich sein könnten, bestätigt nun Gerhard Strejcek, Professor an der Uni Wien am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht, im Gespräch mit dem KURIER.
Ausgegliederte Agenturen und Sonderbehörden – wie die Asfinag – seien gegründet worden, damit sie „unabhängig von tagespolitischen Einflüssen und Schwenks“ihre Aufgaben erfüllen könnten, so der Jurist. Das bedeutet, dass die Asfinag unabhängig von Weisungen der Ministerin agieren können soll.
Mehr Expertise
Bei der vergleichbaren Austro Control, die den heimischen Flugverkehr überwacht, gebe es eine entsprechende Rechtssprechung vom Verfassungsgerichtshof (VfGH). Diese besagt, dass die Austro Control unabhängig vom Verkehrsministerium selbstständig agieren darf, weil „sie es besser kann“, so Strejcek. Soll heißen: Die Experten kennen sich inhaltlich besser aus.
Das lasse sich auf die Asfinag umlegen, da „das Ministerium bei Finanzierung und Durchführung von Bauvorhaben weniger kompetent ist“.
Darüber hinaus, so der Verwaltungsjurist, sei eine Einmischung von oben aus „organisationspolitischen Gründen fatal“. Strejcek vergleicht das mit einer Familie: „Wenn ich einem meiner Kinder sage, dass es eine Woche lang für das Staubsaugen zuständig ist, kann ich ihm während dieser Woche nicht ständig den Staubsauger aus der Hand nehmen.“
Manche Minister hätten verschlafen, dass man Aufträge nicht mehr einfach von oben verteile „wie vor 50 Jahren“, sagt Strejcek. Dementsprechend sei er verwundert, dass die Asfinag sich nicht stärker gegen „das Diktat von oben“wehre.
Bund gegen Land
Ein bisschen dürfte das nun allerdings passiert sein. Entgegen der Weisung Gewesslers wurde nun bezüglich S1 und Lobautunnel eine notwendige Bauanzeige eingebracht, ohne die ein Projektstart nächstes Jahr unmöglich wäre.
Und es gibt noch einen Aspekt an Gewesslers Baustopp, den Strejcek für juristisch unhaltbar hält: Bundesplanungen dürfen keine Landesplanungen konterkarieren. „Der Bund darf nicht auf die Verzögerung oder gar Vernichtung eines Projekts drängen, das zwingend zum Anschluss eines urbanen Quartiers notwendig ist“, sagt er. Das wäre beim „Hoffnungsgebiet“Seestadt der Fall. Zur Erinnerung: Die Seestadt wird mit der S1 erschlossen – und zwar über die Spange Aspern.
Strejcek bezieht sich hierbei auf das vom VfGH mehrfach bestätigte „Berücksichtigungsgebot“. Bund und Länder sind demnach bei Projekten zur gegenseitigen Rücksichtnahme verpflichtet.
Auch wenn das juristisch wasserdicht klingt, ist eine gerichtliche Ausfechtung unwahrscheinlich – zumindest vonseiten der Asfinag. Die Vorstände könnten zwar klagen, sagt Strejcek. Das sei aber nicht zu erwarten. „Das ist so, wie wenn ich meinen eigenen Rektor vor den Kadi zerre, das macht keinen schlanken Fuß“, sagt der Uni-Professor.
Es brauche darum Hilfe von außen. Dabei gäbe es zwei Möglichkeiten: Einzelne Betroffene könnten zivilgerichtlich ihren Schaden einklagen. Als Beispiel nennt Strejcek Logistikunternehmer, die betroffene Stadtteile im Fall vom Nicht-Bau der S1 nicht beliefern können. Zum anderen kann das Land Wien als Gebietskörperschaft vor den Verfassungsgerichtshof ziehen. „Wenn sich Wien ernsthaft auf die Hinterbeine stellt, gibt es ein Urteil innerhalb eines halben Jahres“, so Strejcek.
Wie dieses Urteil im Endeffekt ausfallen könnte, dazu will der Jurist aber keine finale Prognose abgeben: „Das wäre unseriös“.