Abrechnung mit den Grünen
Abrechnung mit der eigenen Fraktion und dem Regierungspartner
Wien. Birgit Hebein trat aus der Partei aus. Die Grünen haben ihre Kernthemen vernachlässigt, kritisiert sie.
Es ist eine Abrechnung mit der Politik und auch mit der eigenen Partei. Die frühere Wiener Vizebürgermeisterin und Vorsitzende der Wiener Grünen, Birgit Hebein, hat am Sonntag ihren wenige Tage zuvor erfolgten Austritt aus der Partei öffentlich gemacht. Sie geht dabei mit der grünen Bewegung hart ins Gericht – und wirft dem türkisen Koalitionspartner „Vertragsbruch“vor.
„Die grüne Politik mit all den Argumenten und Nichthaltungen erreicht nicht mehr mein Herz“, sagt Hebein. Besonders die Weigerung, Flüchtlinge aus Afghanistan aufzunehmen, sei für sie völlig inakzeptabel.
Es seien die Kernthemen der Grünen – Klimaschutz, Demokratie, Flüchtlingspolitik –, die Hebein als vernachlässigt sieht. „Viele Menschen bauen auf das Kämpfen der Grünen für den Klimaschutz, für ein Überleben unseres Planeten“, sagt sie. „Als Mitverhandlerin der türkis-grünen Koalition erkenne und kritisiere ich, dass sich dabei unsere Demokratie, der gesellschaftliche Diskurs, der Rechtsstaat, das Parlament und die Medien in eine türkis-autoritäre Richtung entwickeln und dass der türkise Weg weitergeht, als wäre nichts gewesen.“
Hebein trat vergangenen Jänner nach der Wien-Wahl als Chefin der Wiener Grünen zurück. Und das, obwohl sie das historisch stärkste grüne Wahlergebnis in Wien erzielt hatte. Sie scheiterte nach der Wahl jedoch daran, die Koalition mit der SPÖ fortzuführen. Nach heftigen Auseinandersetzungen mit Bürgermeister Michael Ludwig
(SPÖ) – unter anderem über die autofreie Innenstadt – holte dieser die Neos in die Rathaus-Koalition.
Korrektur gescheitert
Hebein entfernte sich zunehmend von der Politik ihrer eigenen Fraktion. Ihrer Meinung nach seien die Grünen mit dem ohnehin gewagten Versuch gescheitert, „mit einer Regierungsbeteiligung für eine Kurskorrektur zu sorgen“. Damit habe man Hoffnung zerstört. „Zumindest
habe ich diesen Punkt erreicht und ziehe daher die Konsequenzen.“
Der Knackpunkt sei für sie die Haltung von Kanzler Sebastian Kurz in der Flüchtlingsfrage. Kurz hätte bei den Koalitionsverhandlungen zugesichert, dass Österreich „nie vorpreschen wird, um Flüchtlinge aufzunehmen, aber er ist gesprächsbereit, wenn andere Länder vorangehen“. Diese Zusage werde torpediert. Obwohl andere Länder wie Deutschland
gefährdete Menschen aus Afghanistan holten, blocke die Regierung ab.
Hier ortet Hebein auch ein Unvermögen in den eigenen Reihen. Einer, der sich angesprochen fühlen könnte, hat am Sonntag keine Reaktion auf Hebeins Rundumschlag gezeigt. Der grüne Vizekanzler und Parteichef Werner Kogler ging auf die Kritik nicht ein. Sein Pressesprecher verwies auf Anfrage des KURIER nur auf die Wiener Grünen.