Kurier

Abrechnung mit den Grünen

Abrechnung mit der eigenen Fraktion und dem Regierungs­partner

- VON PATRICK WAMMERL UND CHRISTOPH SCHWARZ

Wien. Birgit Hebein trat aus der Partei aus. Die Grünen haben ihre Kernthemen vernachläs­sigt, kritisiert sie.

Es ist eine Abrechnung mit der Politik und auch mit der eigenen Partei. Die frühere Wiener Vizebürger­meisterin und Vorsitzend­e der Wiener Grünen, Birgit Hebein, hat am Sonntag ihren wenige Tage zuvor erfolgten Austritt aus der Partei öffentlich gemacht. Sie geht dabei mit der grünen Bewegung hart ins Gericht – und wirft dem türkisen Koalitions­partner „Vertragsbr­uch“vor.

„Die grüne Politik mit all den Argumenten und Nichthaltu­ngen erreicht nicht mehr mein Herz“, sagt Hebein. Besonders die Weigerung, Flüchtling­e aus Afghanista­n aufzunehme­n, sei für sie völlig inakzeptab­el.

Es seien die Kernthemen der Grünen – Klimaschut­z, Demokratie, Flüchtling­spolitik –, die Hebein als vernachläs­sigt sieht. „Viele Menschen bauen auf das Kämpfen der Grünen für den Klimaschut­z, für ein Überleben unseres Planeten“, sagt sie. „Als Mitverhand­lerin der türkis-grünen Koalition erkenne und kritisiere ich, dass sich dabei unsere Demokratie, der gesellscha­ftliche Diskurs, der Rechtsstaa­t, das Parlament und die Medien in eine türkis-autoritäre Richtung entwickeln und dass der türkise Weg weitergeht, als wäre nichts gewesen.“

Hebein trat vergangene­n Jänner nach der Wien-Wahl als Chefin der Wiener Grünen zurück. Und das, obwohl sie das historisch stärkste grüne Wahlergebn­is in Wien erzielt hatte. Sie scheiterte nach der Wahl jedoch daran, die Koalition mit der SPÖ fortzuführ­en. Nach heftigen Auseinande­rsetzungen mit Bürgermeis­ter Michael Ludwig

(SPÖ) – unter anderem über die autofreie Innenstadt – holte dieser die Neos in die Rathaus-Koalition.

Korrektur gescheiter­t

Hebein entfernte sich zunehmend von der Politik ihrer eigenen Fraktion. Ihrer Meinung nach seien die Grünen mit dem ohnehin gewagten Versuch gescheiter­t, „mit einer Regierungs­beteiligun­g für eine Kurskorrek­tur zu sorgen“. Damit habe man Hoffnung zerstört. „Zumindest

habe ich diesen Punkt erreicht und ziehe daher die Konsequenz­en.“

Der Knackpunkt sei für sie die Haltung von Kanzler Sebastian Kurz in der Flüchtling­sfrage. Kurz hätte bei den Koalitions­verhandlun­gen zugesicher­t, dass Österreich „nie vorpresche­n wird, um Flüchtling­e aufzunehme­n, aber er ist gesprächsb­ereit, wenn andere Länder vorangehen“. Diese Zusage werde torpediert. Obwohl andere Länder wie Deutschlan­d

gefährdete Menschen aus Afghanista­n holten, blocke die Regierung ab.

Hier ortet Hebein auch ein Unvermögen in den eigenen Reihen. Einer, der sich angesproch­en fühlen könnte, hat am Sonntag keine Reaktion auf Hebeins Rundumschl­ag gezeigt. Der grüne Vizekanzle­r und Parteichef Werner Kogler ging auf die Kritik nicht ein. Sein Pressespre­cher verwies auf Anfrage des KURIER nur auf die Wiener Grünen.

 ??  ??
 ??  ?? Hebein rechnet zum Abschied ab. Sie trat dieser Tage aus der Partei aus und übt heftige Kritik
Hebein rechnet zum Abschied ab. Sie trat dieser Tage aus der Partei aus und übt heftige Kritik

Newspapers in German

Newspapers from Austria