Kurier

Wie ein „Buhmann“Stimmen holt

Herbert Kickl ist der unbeliebte­ste Politiker Österreich­s und kann dennoch auf Zulauf zu seiner Partei hoffen: Die Themen begünstige­n den „kleine Leute“-Kurs, für den der blaue Chefstrate­ge seit jeher steht

- VON JOHANNA HAGER

Laut aktuellem Slogan steht die FPÖ für „Demokratie. Freiheit. Grundrecht­e.“Für eben diese Werte steht an vorderster Front seit jüngst Herbert Kickl ein. Der 52-jährige, ehemalige blaue Generalsek­retär und Klubchef, RedenSchre­iber seiner nunmehrige­n Vorgänger Jörg Haider und Heinz-Christian Strache, umstritten­e Innenminis­ter der türkisblau­en Regierung und ewig Letzte im Politiker-Vertrauens­ranking, führt seit zwei Monaten die freiheitli­che Partei.

„Er ist der absolute Buhmann für die Wählerscha­ft in Österreich“, attestiert OGM-Chef Wolfgang Bachmayer im KURIER-Gespräch. Er ist „alles andere als beliebt, doch er versteht es am besten, das wachsende Konfliktpo­tenzial einer immer mehr durch Einzelinte­ressen und Egoismen geprägten Gesellscha­ft zu nutzen“.

Und, er ist mit seiner „politische­n Strategie erfolgreic­h“, so der Meinungsfo­rscher, der auf das Votum am Parteitag (88,24 Prozent wählen Kickl am 19. Juni zum Nachfolger von Norbert Hofer) und aktuelle Umfragewer­te verweist.

Vom Absturz nach der Ibiza-Affäre und dem Koalitions­Aus mit der ÖVP 2019 erholt sich die FPÖ langsam.

Laut jüngster KURIEROGM-Umfrage rangiert die FPÖ derzeit bei 18 Prozent (siehe Grafik) – nach dem vorläufige­n Tiefpunkt von

12 Prozent im ersten Lockdown 2020.

Warum der Nicht-Masken-Träger und CoronaDemo­nstrant Kickl, der die Einnahme von Bitterstof­fen einer Impfung vorzieht, bei der Wählerscha­ft ankommt, erklärt Bachmayer wie folgt: „Er verkörpert Freiheit und die Werte der sogenannte­n kleinen Leute.“Die Themenlage

kommt der FPÖ derzeit zudem zu pass.

Noch vor der Eskalation in Afghanista­n fordert Kickl wegen Grenzübert­ritten im Burgenland das Aussetzen des Asylrechts in Österreich.

In der Pandemie setzt die FPÖ von Anbeginn an auf Kritik

am ehemaligen Koalitions­partner ÖVP und auf eine eigene Homepage „coronawahn­sinn.at“. Hinzu kommen nun, so der OGM-Chef, „ideale kleine Leute-Themen wie die Inflation und die Energiewen­de, die mehr Kosten für alle mit sich bringen wird“. Auch in der FPÖ selbst habe sich die Stimmung nach dem Parteitag und dem zuvor öffentlich ausgetrage­nen Richtungss­treit zwischen Hofer und Kickl, wenn nicht verbessert, so doch beruhigt, sagen Parteigäng­er zum KURIER. Nicht zuletzt wegen der Landtagswa­hl in Oberösterr­eich (26. 9.), wo die FPÖ den Landeshaup­tmannStell­vertreter stellt.

Strategisc­he Zurückhalt­ung

Die Skepsis gegenüber der neuen FPÖ-Führung dürfte sich bei Oberösterr­eichs FPÖChef und Kickl-Kritiker Manfred Haimbuchne­r vorerst gelegt haben, befindet Bachmayer. „Auch, weil die Landespart­eien von der Beruhigung auf Bundeseben­e profitiere­n.“

Und vice versa.

In der Schärfe seiner Angriffe sei Kickl „derzeit auffallend zurückhalt­end. Das ist eine intelligen­te Strategie, denn die Landtagswa­hl ist Kickls erste als Parteichef. Und die Aussichten sind – im Vergleich zum Wahldebake­l in Wien – sehr gut“.

Während die FPÖ in Wien 2020 von 30,79 auf 7,11 Prozent abstürzte, halten Demoskopen in Oberösterr­eich 20 Prozent nach 30,4 Prozent bei der LT-Wahl 2015 für möglich.

Kickls Obmannscha­ft werde daher – davon gehen Beobachter wie Parteigäng­er aus – bis auf Weiteres nicht infrage gestellt werden. Auch in Ermangelun­g eines potenziell­en Nachfolger­s. „Die große Frage ist, ob für die FPÖ unter Kickl, dem idealen Opposition­spolitiker, in Zukunft eine Regierungs­beteiligun­g überhaupt denkbar ist“, so Bachmayer. Der Grund: „Er ist der Gegensatz eines beliebten Regierungs­politikers und erzeugt eine enorme Mobilisier­ungskraft bei Wählern der Gegenseite.“

 ??  ?? Herbert Kickl führte die FPÖ jahrelang als Klubchef im Parlament. Nun ist der ehemalige umstritten­e Innenminis­ter Parteichef. Laut Umfragen stabilisie­rt sich die FPÖ nach dem Absturz 2019
Herbert Kickl führte die FPÖ jahrelang als Klubchef im Parlament. Nun ist der ehemalige umstritten­e Innenminis­ter Parteichef. Laut Umfragen stabilisie­rt sich die FPÖ nach dem Absturz 2019
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