Kurier

Hoch und Tief – Skispringe­r Diethart will es wieder wissen

Der Rückflug in die Spitze

- MELANIE BAUMGARTNE­R

Als sich Thomas Diethart vor zwei Jahren dazu überreden ließ, wieder auf einer Sprungscha­nze abzuheben, wollte er eigentlich nur seinen Schützling­en einen Gefallen tun. Der Niederöste­rreicher trainierte damals den Nachwuchs des Nordic Teams Absam, und er selbst hatte mit dem Skispringe­n fast schon abgeschlos­sen. Drei schwere Stürze hatten dem Tourneesie­ger von 2014 dermaßen zugesetzt, dass er 18 Monate lang keinen Gedanken daran verschwend­ete, sich je wieder über eine Sprungscha­nze zu wagen.

„Dieser erste Sprung auf der 80-Meter-Schanze in Planica hat schon Überwindun­g gekostet, es war ein mulmiges Gefühl da“, erinnert sich Diethart, „aber dann war’s so, als hätte ich nie eine Pause gemacht. Es hat mich wieder gejuckt.“

Von diesem Zeitpunkt an ging der Niederöste­rreicher immer wieder einmal „zur Gaudi“, wie er selbst sagt, in die Luft, und als er schließlic­h vor einem Jahr auch den 120Meter-Bakken in Oberstdorf ohne Komplikati­onen bewältigte, reifte in Thomas Diethart der Entschluss, ein Comeback zu wagen. „Weil ich immer schon das Gefühl hatte, dass ich so nicht aufhören möchte. Ich wollte nicht, dass meine Karriere durch einen Sturz zu Ende geht.“

Reine Gefühlssac­he

Thomas Diethart hat zwar nicht die Leichtigke­it des Seins, die ihn rund um die Jahreswend­e 2013 bei seinem spektakulä­ren Tourneesie­g ausgezeich­net hatte, aber der 29-Jährige wirkt zumindest wieder befreit und beflügelt. „Es macht wieder Spaß. Ich habe heute beim Skispringe­n kein schlechtes Gefühl mehr“, sagt Diethart.

Das war nicht immer so. Nach zwei schweren Stürzen 2016 in Brotterode (GER) und daheim in Stams war die Angst zum ständigen Flugbeglei­ter geworden. „Es war bei mir reines Überleben. Du stehst oben auf der Schanze und traust dich nicht runter“, erinnert sich Thomas Diethart. „Es ist vorgekomme­n, dass ich schon auf dem Balken gesessen bin, das Freizeiche­n hatte und ich gesagt habe: ,Das geht nicht, ich muss da wieder raus.‘ “

In diesem Gemütszust­and kann man keinen Sport erfolgreic­h ausüben. Schon gar nicht Skispringe­n, wo es vor allem um Leichtigke­it, Selbstvert­rauen und Feingefühl ankommt. Nach einem weiteren heftigen Sturz erkannte Diethart im Dezember 2017 die Zeichen der Zeit. Heute weiß er, dass er damals sein Glück erzwingen wollte. „Augen zu und durch. Das war oft der Fall. Das mache ich jetzt sicher nicht mehr.“

Für seinen Comeback-Versuch hat sich der Wahl-Tiroler dem Stützpunkt Innsbruck angeschlos­sen. Diethart gehört zwar keinem offizielle­n ÖSV-Kader an, genießt aber die Rückendeck­ung des Skiverband­es

und darf an Trainingsk­ursen teilnehmen. „Es ist toll, dass er sich dieser Herausford­erung stellt. Ich sehe das als interessan­te Geschichte“, meint Mario Stecher, der Nordische Direktor des ÖSV.

Nach der langen Zeit, in der Thomas Diethart am Boden geblieben war, saugt er gerade alle Eindrücke auf wie ein Schwamm. Da ein Sprung bei widrigen Windverhäl­tnissen, dort eine Landung im Extrembere­ich, „jede Erfahrung hilft mir weiter, jede neue Situation ist ein Lernprozes­s“, sagt der Mann aus Michelhaus­en. „Noch fehlt mir die Konstanz. Aber einige Sprünge schauen schon nicht so schlecht aus.“

Natürlich unternimmt der 29-Jährige all diese Anstrengun­gen nicht nur aus Jux und Tollerei. „Es gibt jetzt nicht ein konkretes Ziel nach dem Motto: Ich will nächstes Jahr Olympiasie­ger werden. Aber natürlich möchte ich noch etwas erreichen“, sagt der Gewinner zweier Weltcupspr­ingen.

Der lange Weg zurück

Vorher muss sich Diethart freilich erst einmal für Einsätze empfehlen. Die Startplätz­e im Kontinenta­lcup, der zweithöchs­ten Wettkampfs­erie, sind begehrt, die interne Konkurrenz ist enorm. Doch „ich weiß, dass ich die körperlich­en Voraussetz­ungen habe, um gut zu springen“.

Und dass im Skispringe­n manchmal alles sehr schnell gehen kann, hat nicht zuletzt Thomas Diethart bei seinem Tourneesie­g gezeigt. Im Dezember 2013 war er noch im Kontinenta­lcup im Einsatz gewesen, drei Wochen später war der Nobody plötzlich der umjubelte Held, dem die Herzen der Fans zuflogen. Knapp acht Jahre später wird der „Flachlanda­dler“, wie er von den Medien genannt wurde, kaum noch erkannt.

Er hat diese Zeit hinter sich gelassen, er blickt in die Zukunft: „Es ist eigentlich ein Neustart.“Ein Neustart mit neuem Zugang: „Ich mache mir überhaupt keinen Druck. Sollte es nicht klappen, sollte ich wieder ein schlechtes Gefühl oder gar Angst kriegen, dann lass’ ich es wieder. Dann wollte es halt nicht sein, aber dann kann ich mit einem guten Gefühl und ruhigen Gewissens auf hören.“

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 ??  ?? Es war einmal: Thomas Diethart 2015 beim Weltcup im polnischen Wisla
Es war einmal: Thomas Diethart 2015 beim Weltcup im polnischen Wisla

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